Das Sterbende Buch
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Die Quelle der Löwin
Jeder Moment im Leben eines Menschen ist die Begegnung mit seinem Tod, denn der Mensch ist zu gleichen Teilen aus Leben und Tod geboren. Am Brunnen des Löwen in der Provinz Hadramaut, wo die (H)Aditen (die Geflügelten, die Urformen, die Prägeformen des Lebens) gewohnt haben sollen, traf ich auf EMIR ITAKAM, Herrscher der Rache, Fakir von Al Ahkaf, was eigentlich Sandhaufen bedeutet und zugleich der Name von diesem Tal ist. Im 21. Vers der sechsundvierzigsten Sure des Korans findet der Ort Erwähnung und darum wird auch die ganze Sure nach ihm benannt. Der Mann stand auf dem Minarett und schlug das Klangbrett an, dann erhob er seine Stimme, aber nicht um zum Gebet zu rufen, sondern er verkündete mit lauter Stimme, so daß sie über den ganzen Platz zu vernehmen war: „Auf ihr Gläubigen, versammelt euch, um die Stunde der Befragung zu erfahren! - Eilt zum Versammlungsplatz in die Reste der alten Moschee, um zu hören ob ihr aufbrechen dürft.“
Das war das Erste was ich von dem jungen Araber selber hörte. Von meiner Neugier geleitet folgte ich den Angesprochenen, die sich zum Eingang der halbverfallenen Moschee bewegten, trat mit ihnen ein, indem auch ich die vorgeschriebene Waschung ebenso ausführte wie alle anderen. Der Ort unterscheidet sich von anderen arabischen Ansiedlungen, es ist weder Reichtum zu sehen, wie etwa in einem der Ölstaaten, der Ort ist vielmehr sehr ärmlich und doch ist schon auf den ersten Blick zu sehen, daß hier etwas Besonderes in der Luft liegt. Nirgends ist der sonst allgegenwärtige Dreck und Abfall zu sehen, wie es in armen Orten nicht anders zu denken ist. Es standen zwar Autos am Rand der Sandpiste und etliche Kamele waren mit Bändern die Beine so zusammengebunden, daß sie diese unter ihrem Bauch eingewinkelt hatten und sich nicht erheben konnten. Jetzt fuhr hier auch kein Auto mehr vorüber. Das alle Männer und Frauen nur auf den Ruf des Muezin gewartet hatten war offenkundig, der Platz vor der alten schon zum Teil verfallenen Moschee war augenblicklich leer. Nachdem sich alle im Innern der Moschee befanden und sich niedergelassen hatten, bekam ich den jungen Mann zu Gesicht, der seine Stimme vom Minarett hatte hören lassen. Er war sicher nicht älter als 25 Jahre, hatte eine schlanke mittelgroße Figur, einen Gesichtsfarbe ins Kupferne, große schöne, ruhig dreinschauenden Augen und schwarzes Haar mit einem schwachen Schimmer ins Stahlblau. Sein Gesicht muß ich als harmlos und sorglos einstufen, doch das änderte sich sofort, als er erneut zu reden begann. Die Augen wurden stechend und das Gesicht zeigte eine Entschlossenheit, die es bei Männern selbst im hohen Alter selten gibt. Wie ein vollständig verwandelter Mensch, waren die Bewegungen doch gleich geblieben, eine Harmonie von abgeklärter Ruhe und feuriger Beherrschtheit, ließ eine erstaunliche Reife des Mannnes vermuten, als mir das gewahrte, erschrak ich fast vor Freude über die Worte, die dem entsprachen, wie seine Überlegenheit an anmutiger Eleganz vermuten ließen. Seine Stimme ist sanft und eindringlich gemessen langsam, zugleich klar und bestimmend seine Worte. Und das, was ich hier hörte, erfreute und erschreckte mich gleicher Maßen. Vor der Fahne des Propheten und unter der Sichel des Halbmondes stand er, entfaltete einen vollständigen Plan aus den feinsten Gedanken und belegte gleichzeitig das Gesagte mit unumstößlichen Beweisen. Ich hatte von den Leuten auf dem Platz vernommen, daß er “Fakir al Ahkaf“ genannt wird. Wie ein Raunen ging es durch die Menge von den mehr als 250 Menschen, die auf dem Platz nur auf sein Zeichen gewartet hatten, um die Moschee zu betreten, was schon seltsam genug ist, da eigentlich die Moscheen immer geöffnet sind. Auffällig waren einige große Limousinen, die hier auf der Sandpiste standen, ebenso war daß gesamte Erscheinungsbild der anwesenden Personen, die zum Einen als stinkreiche Scheiks, dann aber auch aus hartgesottenen zu allem bereiten kriegerischen Männern und Frauen bestand und zum anderen aus einer nicht geringen Anzahl von Mullas und als heilig geltenden Derwischen, sowie auch die kamelreitenden Beduinen, die zum Teil aus ganz unterschiedlichen Landstrichen kamen, was ihre Kleidung verriet. Die Leute hatten für sich gestanden, was selten in einem arabischen Land ist, sie schienen sich untereinander nicht näher zu kennen und doch war eine allgemeine Achtung zwischen ihnen spürbar. So fiel auch ich nicht auf, außer vielleicht an meiner Kleidung, die für die hiesige Gegend nichts weniger als gerade typisch zu nennen ist, doch niemand schien daran Anstoß zu nehmen oder es auch nur merkwürdig zu finden. Ich saß jetzt auf meinen Füßen, wie es auch die anderen zu meinen Seiten zu machten pflegten und hörte aufmerksam dem jungen Fakir zu, der eine Verbindung des Korans mit den heute ablaufenden Geschehnissen in der Welt und speziell in den arabischen Staaten so plausibel beschrieb, daß sich aus der Menge der Zuhörer oft ein erstauntes und zugleich zustimmendes Tuscheln und verstärktes Atmen hören lies, sonst war die Versammlung sehr still und alle lauschten auf die feine Stimme, die bald von Sidschin, dem Ort der Unterwelt, wo das Verzeichnis der falschen Handlungen von Menschen und Geistern aufbewahrt wird, nach dem die 83. Sure auch benannt ist, mit welcher er nun die Geheimnisse über die Quelle des Paradieses, die Tasnim bezeichnet wird, anhand von den verschiedenen Örtlichkeiten hier auf der Erde erklärte, und was, wo und wann zu tun sei, um für sich und das große Volk der Araber, dem so viele Stämme angehören, und der nicht arabischen islamischen Söhne und Töchter, die sich von Bilad ed schdin - China, bis über Bilad el moskob - Rußland, Sailan - Ceylon, dem mächtigen Bilad el adscham - Persien, Dschebel el Tarik - Gibraltar, Dschesajir Kanara - Kanarische Inseln bis zum Bilader ras - Südafrika, das Kapland und alle Länder die dazwischen liegen, erstrecken, sowie auf die Türkei, den Balkan und nicht zuletzt auch auf Amerika und Europa. Der Vortrag dauerte etwas mehr als zwei Stunden und die Zuhörer verließen den Ort der Versammlung so, wie sie hineingegangen waren. Auch auf dem Platz hielt man sich nicht lange auf, sondern suchte die Autos gleich wieder auf und ohne viel Aufhebens verließen die Fahrzeuge und Reiter den Ort, so daß ich mir schnell im Klaren war, daß sich die Leute hier nur einfanden um dem jungen Mann unter der Sandschak, der Fahne, zu lauschen, der vor allen anderen die Moschee verlassen hatte und nun nicht mehr zu sehen war.
Der Ort ist eine alte Ansiedlung, die schon vor Jahr und Tag von allen Menschen verlassen war und jetzt nur noch als Treffpunkt dieser Leute diente. Die Häuser sind alten Baus und zum Teil eingefallen, die Straße, wie so oft in Arabien, ist nur ein Wüstenpiste aus hartgekrustetem Sand mit den üblichen Unwegsamkeiten, die diese Gegend mit sich bringt. Ich sah den sich in einer kleiner werdenden Staubwolke entfernenden Wagen nach, bis außer der staubigen Wolke nichts mehr zu sehen war, dann schaute ich mir den Ort ein wenig näher an. Wie schon gesagt, war es hier auffallend sauber, nirgens lag Müll herum und auch in den alten Bauten war nichts hinterlassen, was darauf schließen ließ, daß der Ort bewohnt ist. Nachdem ich die wenigen Häuser und Hütten näher angesehen hatte, bemerkte ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Geräusch, was sich wie das Schlagen eines Teppichs anhörte, sonst war es fast lautlos in dem Ort, wo nur der heiße Wüstenwind seinen Atemzug leise durch die Ortschaft säuselte.
Ich blieb erst einmal ruhig und schaut mich weiter in dem Haus, was ich erst gerade betreten hatte um. Ich stieg so gut es ging eine halb zusammengefallenen Stufenleiter aus Holz hinauf und schaute vom offenen Dach zum gegenüberliegeden Haus, aus dem ich das Schlagen gehört hatte. „Schu haida - was höre ich ?“. Hörte ich jetzt eine Stimme, „welch lieblicher Rina klingt an mein Ohr? Fatima ist schon hier!“ Sagte die Stimme weiter, es war die Stimme eines Mädchens oder einer jungen Frau. Jetzt hörte auch ich leise eine Melodie, die Stimme des Gesanges näherte sich, ebenfalls eine weibliche Stimme, doch vom Alter her noch nicht zu bestimmen. Was konnten das für Frauen sein, hier in einem Ort, der so weit von der nächsten bewohnten Ansiedlung entfernt liegt und in dem es nichts als Sand und Stein auf viele Kilometer gibt. Ja, und es mußte schließlich noch jemand da sein, jemand an den die jungen Frauenstimme gerichtet war. Jetzt hörte ich es rufen: „Min haida. - Wer ist da? Bist du es, Fatima!“, und zur gleichen Zeit steckte eine junge Frau ihren Kopf im gegenüberliegenden Haus aus einer Fensteröffnung, dabei schaute sie mir direkt ins Gesicht und fuhr wie erschrocken wieder vom Fenster zurück. Nach einem Moment steckte der Fakir sein Haupt aus dem gleichen Fenster, während unten auf der Straße die Sängerin auf einem Reitkamel, eine in viele Tücher gewickelte Person, ihr Kamel mit Zuruf und einem Stock zum Niederknien lenkte. Das Kamel hatte sich noch nicht ganz herabgelassen, da sprang die Person behende aus dem Sattel und rief laut: „Ja ishab elbet - He Leute !“ Dabei warf sie das Kopftuch ab, so daß ihr langes schwarzes Haar in Wellen bis zur Hüfte reichte und schlug sich den Staub aus ihrer Kleidung. Sie hatte ebenso langes gewelltes pechschwarzes Haar wie die junge Frau, die mir vor einem Augenblick in die Augen gesehen hatte, diese erschien jetzt am Eingang des Hauses.
„Ta a lihane, Fatima. - Komm hierher, Fatima. Ich habe dich schon singen hören, laß dich umarmen.“
Dabei trat sie ganz aus dem Haus heraus und auf die gerade angekommene Frau zu, diese breitete die Arme aus und beide drückten sich herzlich, der junge Fakir und ich sahen mal zu den zwei Frauen und mal
uns an. Jetzt hatte auch eine kurze Unterhaltung zwischen den Frauen stattgefunden, ich konnte zwar nicht die Worte verstehen, weil sie nun leiser sprachen, doch aus der Tatsache, daß mich beide anschauten, wußte ich auch was der kurze Wortwechsel zum Inhalt hatte. Ich winkte ihnen zu und verließ das Haus zur Straßenseite hin, auf dem Weg, auf dem ich gekommen war. Bin ich in fremden Ländern, so habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht die landesüblichen Sitten soweit zu benutzen, wie sie mit mir selber zu vereinbaren sind, daß heißt, in diesem Fall, einen Gott verehre ich nicht, da das meine Natur nicht kennt, womit ich mich hier in Arabien immer ein wenig schwer tue, weil jedes Begrüßungswort mit Allah verbunden ist. Auch der junge Fakir war aus dem Haus gekommen, begrüßte kurz aber freudig Fatima und wand sich dann gleich zu mir herüber. Ich ging direkt auf sie zu und reichte ihnen die Hand, entschuldigte mich wenn ich etwa jemanden durch meine Anwesenheit erschreckt hatte und nannte meinen Namen und meine Herkunft.
Der Fakir antwortete an Stelle der dreien, hieß mich willkommen und fragte:
„Wollt Ihr nicht einen Tschei, mit uns trinken, meine Schwester hat soeben eine Kanne Wasser über dem Feuer, dann können wir uns Schatten, im Innern des Hauses unterhalten.“
Ich ging gerne auf das Angebot ein und lernte während der Teestunde als erstes die Namen der drei Araber kennen. Der Fakir heißt neben dem Namen Al - Ahkaf richtig Hassan Ben Muhammed Abu Ibn Saud, was übersetzt etwa Hassan Sohn Mohammed Vater der Saud (Stamm auf der arabischen Halbinsel) bedeutet. Die junge Frau heißt Schefka mit Vornamen, das ist ein kurdisches Wort, welches Morgenröte bedeutet. Schafka ist zwar keine Kurdin, ebensowenig wie ihr Bruder der Fakir, doch haben sie Verwandte in Kurdistan und daher stammt der Name, der zum Andenken an die Großmutter gewählt wurde, die aus dem türkischen Kurdistan stammt, selbst aber auch keine Kurdin war. Die drei waren sehr zu vorkommend und wirklich bemüht mir gute Gastgeber zu sein. Das Haus war in einem besseren Zustand als die anderen, die ich mir angesehen hatte. Einige einfache Möbel standen hier um einen schönen alten Teppich, auf dem ein niedriger Tisch stand, in einer Ecke stand eine alte schöne Huka, Wasserpfeife, gegenüber in der Ecke stand ein starker Zweig, auf dem ein abgerichteter Falke hockte, der mich gleich mit seinem Ruf willkommen hieß, obgleich ihm die Augen mit einer Haube verschlossen waren. Auf dem Boden lagen Sitzkissen und darauf ließen wir uns nieder. Es war gleich ein freies lockeres Gespräch entstanden und wir erzählten einander von welchen Orten wir zuletzt kamen. Als ich dann erzählte, daß ich gestern noch mehr als 1000 Kilometer entfernt von hier gewesen sei, wunderten sich die drei, weil ja kein Auto mehr in der Straße stand, wie ich denn eine solche Strecke zurücklegen konnte, es war klar das ich daraufhin erst einmal „meinen Falken“, meinen Flugdrachen aus seinem Versteck holen mußte und Schefka begleitete mich dabei. Sie ist ein seltsam schönes Mädchen von 19 Jahren, ihre Augen strahlen, ja man muß bald sagen sie glühen wie schwarzer Kristall, dabei ist sie von ebenmäßiger schlanker Gestalt, soweit ich das überhaupt beurteilen kann, da sie ebensoviele weite Tücher um sich geschlungen hat wie Fatima, die Braut ihres Bruders. In kleinen Pantoffeln aus Bast lief sie neben mir her und erzählte über die Pläne ihres Bruders, der sich vorgenommen hat die Stämme der arabischen Völker zu versammeln, weil die Hoffnungen der Stämme von allen Politikern enttäuscht werden und er nicht breit ist, auf jemanden anderen zu warten. Sie erzählte mir, daß Hassan, so wie sie ihren Bruder nennt, schon in seinem jungen Alter zu den Weisen gerechnet wurde, da er nicht nur ein Ökonomie Studium sondern auch in verschiedenen Bruderschaften und Moscheen unterrichtet sei und den Koran auszulegen versteht wie kein zweiter. Gewisse Leute waren früh auf ihn aufmerksam geworden und hatten ihm Möglichkeiten zur Verfügung gestellt, die ihm unser Vater hatte nicht bieten können. Diese Gönner gehen so weit, ihrem Zögling blind zu vertrauen und allen seinen Plänen den Weg zu ebnen. Zu den Gönnern zählten neben einflußreichen Scheiks und Mullhas auch Derwische und einige Abgesandte von den in der Nähe wohnenden Beduinenstämmen, die zu den Sunniten gehören.
„Von ihnen wird Hassan, Emir Itakam genannt, weil er zur Rache aufrufen soll und dazu die Stämme hinter sich vereinigen möchte, daß er in die Lage kommt endlich ein freies Reich der arabischen Nationen zu
gründen, wie es einst die türkischen Osmanen zu ihrer Blütezeit hatten.
„Wir verkennen nicht, daß wir erst am Anfang der Bewegung stehen, doch es ist wirklich so, daß wir jeden Tag mehr Anhänger finden, die alle mit unserem Ziel übereinstimmen und sich von jeglicher arabischen Regierung distanzieren. Ich möchte bald sagen, daß unsere Erwartungen in Hinsicht auf die Zahl der sich uns anschließenden und Gleichgesinnten freien Söhne und Töchter Arabiens nicht enttäuscht wurden, es sind sogar mehr als wir zu hoffen gewagt haben.“
Jetzt waren wir bei dem Versteck angekommen, wo ich den Falken zusammengelegt unter Felsblöcken in eine Nische geschoben hatte. Ich habe hier die Nacht verbracht und war davon ausgegangen, als ich am späten Abend hier gelandet war, daß der Ort bewohnt sei, obgleich ich keine Lichter erkennen konnte. Am frühen Morgen sah ich Staubwolken, die nur von Autos stammen konnten und machte mich nach einem kleinen Imbiß auf den Weg zum Ort, um hier Wasser und etwas Nahrung zu kaufen.
„Das ist der Falke, mit dem ein Mensch fliegen kann? Das Paket ist ja nicht größer als ein Schaf.“ sagte Schefka lachend, als wolle sie meine Behauptung nicht Glauben schenken.
„Willst du einmal sehen wie schnell aus dem Paket ein flugfähiger Vogel wird. Wollen wir nicht gemeinsam damit zurück zum Haus fliegen?“
„Wie, können sogar zwei Menschen von deinem Falken gehoben werden? - Nichts wüßte ich im Moment lieber als einmal zu fliegen, doch du mußt mir versprechen, daß uns kein Unglück geschieht, so bin ich bereit mit dir den Flug zu wagen.“
Nach meiner Beteuerung, daß der Falke ein zuverlässiger Flieger ist, war sie bereit mit mir zu fliegen. Schnell war der Falke zusammengebaut und ich zeigte ihr, wie sie sich zu halten habe, dann brüllten die Motoren los und wir liefen ein paar Schritte, mit einem schrillen Schrei, den sie vor Freude ausstieß, hoben
wir in die Luft. Ich schaute zu ihr herüber, wo sie unter dem anderen Flügel sich nun in den Sitzgurt eingehängt hatte, sie atmete in flachen Zügen hastig die Luft. Der Falke hob uns schnell höher und ich fragte sie, indem ich herüberrief, ob ihr das Fliegen gefalle.
„Das ist wunderbar, das habe ich nicht gedacht.“ rief sie zurück.
„Wollen wir direkt zum Haus fliegen, oder darf ich mir erlauben mit dir noch weiter zu fliegen, um dann wieder vor dem Haus zu landen.“
„Wenn es nicht unverschämt ist, diesen Wunsch zu äußern, möchte ich noch höher fliegen. Es ist herrlich, viel schöner als ich es mir vorgestellt habe. Wie hoch fliegt denn der Falke ?“ rief sie herüber, ihre schönen Haare wirbelten wie wild um sie und ein wilder Glanz funkelte dabei aus ihren Augen zu mir herüber.
„So hoch du es wünscht fliegt der Falke, wir können so hoch wie Wolken steigen, wenn du es wünscht.“ rief ich ihr begeistert zurück.
Sie stieß erneut einen Freudenschrei aus, worauf dann zur Antwort kam: „Ja laß uns so hoch wie Wolken fliegen.“
Heute waren einige Wolken zu sehen, die für einen wunderschönen Sonnenaufgang gesorgt hatten, die Sonne hatte bevor sie den Rand des Horizontes erreichte eine feine Wolkenschicht kurz zum glühen gebracht, um dann wie eine rotgoldene Kugel über den Horizont zu steigen. Ich hatte das von meinem Schlafplatz aus beobachten können. Die Sonne wirkte an diesem Morgen riesig und die Schleier der dünnen Wolken färbten sich vom rubinrot, über rosagelb bis zum strahlendem Weiß, die Wüstenlandschaft zerklüftet darunter, lange Schatten zu mir werfend, boten einen bizarren Gegensatz. Die Schatten wurden schnell kürzer, bald begann die Wüste zu flimmern und mit der hereinbrechenden Hitze verliefen schon die Konturen im Horizont, die Erde mit dem Himmel zu einem ungewissen Wallen und alle Wolkenstreifen waren schon von der Sonne aufgelöst. So plötzlich wie es hier Nacht wird, bricht auch der Tag durch die Pforten, die Dämmerungen sind die Momente, die zugleich am kürzesten und klarsten sind und so konnte ich auch in weiter Entfernung eine Staubwolke über der Wüste erkennen. Ich nahm das Fernglas heraus und vermutete ein Auto auf den Ort, der zwischen uns lag zufahren. Im Ort selber war kein Anzeichen von Leben zu sehen, aber hier gab es anscheinend auch keinerlei Art von Arbeit zu verrichten, Trockenheit allein war zu sehen, Sand und Steine, keine Pflanze sah ich hier, auch im Ort war nichts Grünes zu entdecken. Ich hatte in der Nacht erkannt, daß ich auf einem Plateau gelandet war, auf dem einige Felsstücke wie von Menschenhand hier hinaufgeschafft waren um gleichmäßig über die Fläche verteilt abgelegt zu sein. Die Felsstücke sind sonderbarerweise große Steinquader, die bei genauerer Betrachtung am Morgen, das Bild eines vom Grundriß, in die Zeit des Alexander zurückreichenden Tempel entsprechen können, an deren Stelle die stützenden Säulen zu stehen haben, jedenfalls nehme ich das an, es kann aber durchaus auch sein das dieser Baustil wesentlich älter ist, doch wie sollte hier das Altägyptische mit dem Griechischen vorher verschmolzen sein? Ich versuchte übrigens später etwas in Deutschland über diesen Ort herauszufinden, doch scheint hier noch eine Lücke in der Wissenschaft zu stecken. Schnell wurde es wärmer auf dem morgendlichen Plateau, ich stand auf und machte mir einen heißen Kakao aus Pulver, Wasser und Milchpulver, dann verstaute ich den Falken und warf noch Sand darüber in die Nische zwischen den goßen Steinen, so daß er gänzlich verborgen war. Daraufhin begab ich mich zu dem Ort, der eine halbe Wegstunde weiter östlich liegt. Eine straßenähnliche Piste führte durch den Ort, der am Morgen so seltsam still vor mir lag. Direkt neben der Piste ragt das Plateau wie ein Sockel aus der Erde, dann folgt ein 500 Meter breiter Wüstenstreifen aus schmutzig gelbem Sand und Gestein und da beginnen schon die felsigen Ausläufer des Gebirgszuges, die eine riesige Talkessellandschaft auf dieser Höhe einschließt.
„Hier hat es vor zwei Generationen noch einen Brunnen gegeben, der leider versiegte, da der Weg auch nicht mehr als Karawanenstraße benutzt wird, ist der Ort nicht mehr lebensfähig und die Einwohner haben ihn verlassen, doch gibt es hier noch eine Quelle, sie liegt nur etwas abseits des Ortes und kann nur zu Fuß erreicht werden, da drüben in den Felsen entspringt die schwache Quelle, die oft wieder im Sand
versiegt, doch reicht ihr Wasser für einige Menschen und selbst als notwendiges Wasser zur Reinigung der Zuhörer meines Bruders, die sich zu Zeiten in der Moschee treffen. Es ist aber mühsam das Wasser aufzufangen, es steigt aus dem Felsen auf und läuft in wenigen Tropfen in einer Stunde zu einem Liter zusammen. Wir haben schon den Sand soweit weggenommen, daß das Wasser über einer Kante in eine flache Schüssel laufen kann, der Platz reicht gerade für die Schüssel, die einen Liter faßt. Wir wollen nicht in den Felsen eindringen, weil es oft genug vorgekommen ist, daß dann nicht mehr Wasser, sondern gar kein Wasser mehr aus der Quelle fließt. Wir haben die Quelle als die Quelle der Löwin bezeichnet, weil wir dort einmal eine Löwin gesehen haben, die sich aber seit dieser Zeit zurückgezogen hat, sie wird die Menschen meiden.“
„Ja, sie wird ihre Erfahrung gemacht haben.“
„Vor wenigen Jahrzehnten war der Löwe das gefürchteste Raubtier für die Bewohner Arabiens, heute weiß ich von keinem anderen freilebenden Löwen in ganz Arabien, als diesen, bitte versprecht mir alle, daß ihr
über diesen Löwen Stillschweigen bewahrt, er soll nicht auch als Opfer irgendwo eine Wand schmücken, er soll uns vielmehr zum Zeichen der islamischen Kraft dienen.“
„Doch lieber Bruder laß dir erzählen, wie wir geflogen sind, es war wie im Traum, nur das kreischend laute Heulen der Motoren hat dem Vergnügen etwas Abbruch bereitet, doch das war schnell vorbei, das Fluggerät, den unser neuer Freund Hedj nennt ist bald ohne den Lärm immer weiter gestiegen und gestiegen, wie es ein richtiger Vogel ebenso macht. Genau wie ein Hedj schraubten wir uns immer höher und höher und alles unter uns wurde kleiner und kleiner, dabei flatterten mir die Haare nur so im Gesicht herum. In einer Schaukel habe ich gesessen und voller Freude zu Allah gerufen, er möge uns beistehen und die heiligen Kräfte seinen Kindern, den Söhnen und Töchtern aller islamischen Völker wieder in eine Hand geben, auf daß sich Allah wieder seiner Kinder erfreuen kann. Mir war als ob sich der Himmel neigte, ich kann es nicht anders beschreiben, als ob sich der Himmel neigte, um die Söhne und Töchter des wahren Glauben empor zu heben, aufzunehmen in die Himmel, die den Gerechten versprochen sind, wie denen die die Rache ausführen. Lieber Hassan, ich nehme es als ein Zeichen unseres versprochenen Sieges.“
Dem Bruder leuchteten die Augen, er umarmte seine Schwester, gab ihr einen Kuß auf jede Wange und sagte.
„Lieber Freund, du hast meiner Schwester eine große Freude bereitet, laß uns Brüder sein, du wirst es nicht bereuen, nur dieses eine mußt du uns versprechen, daß du unser Versteck hier nicht preisgibst, es ist zwar
kein unberührter Ort, doch halten sich hier so gut wie nie Leute auf, es sei denn, sie wollen mich treffen. Weiter sollst du uns versprechen nicht über unseren Einfluß auf die verschiedenen arabischen Staaten, vor allem auf die Militärs, zu sprechen. Willst du dich damit einverstanden erklären, so sei uns doppelt willkommen und du kannst alles über mich erfahren, was du zu wissen wünscht.“
„Eigentlich habe ich kein besonderes Interesse an euren Angelegenheiten, doch so wie du darüber sprichst und die richtigen Worte aus den Koran unwiderlegbar zu den Zuständen und Verhältnissen zu deuten weißt,
dieses interessiert mich mehr als die Organisation, die sich anscheinend um dich angeordnet hat.“
„Dieses magst du aus den Worten entnehmen, die ich vor der Versammlung gesprochen habe, doch wir sind im eigentlichen Sinne keine Organisation, sondern die Leute kennen sich meistens nicht einmal untereinander. Sie haben von mir gehört und wann ich hier spreche, es sind festgelegte Tage, die immer beim Ende einer Versammlung von mir bekannt gegeben werden. Du hast sicher gehört, daß ich gesagt habe: Wir sehen uns in zwei Wochen und einem Tag nach dem Vollmond zur el Asr hier wieder, das ist drei Stunden nach Mittag, wenn das gleichnamige Gebet gehalten wird.“
„Ja, das habe ich vernommen. Ist sonst nichts ausgemacht worden? Haben die Leute sonst keine weitere Verbindung zueinander?“
„Nein, sie hinterlassen mir nur beim Hinausgehen aus der alten Moschee, aufgeschriebene Nachrichten, in der mir mitgeteilt wird, wie viele Anhänger unserer für alle islamischen Glaubensauslegungen offene Weg schon aufgesammelt hat. Ich und meine zum großen Teil unbekannten Zuhörer legen keinen Wert auf eine Auslegung des Koran, so wie du wohl annehmen mußt, sondern, wir wünschen als Erstes die vereinigte Bewegung, welche für uns die einzige Möglichkeit der Auslegung ist. Alles andere verzettelt und verfeindet diejenigen, die wirklich etwas für den wahren Glauben machen wollen, die Geschichte beweist es und ich fühle mich dazu - gezwungen - nicht berufen - wohl gemerkt dieses zu vollbringen. Ich kann mir wirklich ein leichteres Leben vorstellen, aber daß was ich in meinen jungen Jahren erfahren mußte, läßt mich an nichts anderes mehr denken und wie mir geht es fast allen Arabern, die ehrlich zu sich selber sind und nicht dem Ausland hinterherlaufen. Das Ausland säht immer nur Zwist und Unfriede zwischen uns.“
„Da muß ich dir recht geben, doch zuvor wisse, daß ich kein Mohamedaner bin und ich nicht geneigt bin für mich einen Glauben zu bekennen, wobei ich nichts anderes von meinem Gegenüber verlange, als mir meine Haltung zuzugestehen, so wie ich die eines Anderen achte.“
„Ich hatte im Stillen befürchtet, du seist ein Christ, welche unbedingt unsere Feinde sind, ihre Kultur zerstört die Welt und zwingt uns zu einem unfreien Sklavenleben. Wieviel lieber ist mir ein neuer Freund und Bruder lieb, der auf unbekannten Wegen geht und sich nur auf sich beruft. Ich war mir gleich sicher daß auch du dein Leben in die eigene Hand genommen hast, deine Augen haben mir das gesagt. So wie du, wollen auch wir unabhängig sein, der Glaube unserer Väter mag uns verbinden, dieses zu erreichen haben wir uns hier getroffen, unter der Fahne des Propheten. Es ist eine Schmach für den freien Araber unter Regierungen zu stehen, welche durch die Hand des Auslandes eingesetzt sind oder durch diese geschützt sind. Menschen wie du sind uns willkommen als Gäste, weil sie sich mit Recht aus den inneren Angelegenheiten anderer Länder heraushalten, dadurch helft ihr allen Staaten und Völkern, mehr als jene die hilfreich sich nennen, dieses sage ich wert- und vorurteilsfrei. Weil es so ist. Dein geteiltes Vaterland steht auch heute noch mit den arabischen Staaten in einem Zustand des Krieges, das bedauere ich aufrichtig, zumal ich weiß, daß deinem Volk keine Wahl gegeben ist, dies aus eigener Kraft zu ändern.“
„Du bist also nicht nur über die arabischen Staaten gut unterrichtet, du kennst auch meine Situation, das überrascht mich.“
„Ich kenne nicht nur die Situation in deinem Land, verspreche mir, daß du uns nicht verraten wirst, so möchte ich dir gern etwas zeigen, was dich sicher überraschen wird, so etwas hier zu sehen.“
„Ohne Bedenken möchte ich mich dazu bereiterklären, doch ich habe eine Frage, die du mir gestatten möchtest. Wie soll ich verstehen, wenn du sagst, daß du zwar Gleichgesinnte suchst und auch findest und gleichzeitig von mir verlangst, nichts über dich bekannt zu geben?“
„Da hast du mich falsch verstanden, du hältst dich an den Buchstaben meiner Worte, was mir gefällt so verstanden zu werden, doch es ist nicht so, daß du über mich nicht sprechen sollst, sondern im Gegenteil, ich würde mich freuen, wenn du von mir berichtest. Das Einzige was ich von dir verlange, ist, daß du mich nicht verrätst, meine Aussagen sollst du nicht verdreht weiter tragen, wenn du mit anderen über mich redest. Sodann, sollst du keine Namen von meinen Anhängern weiter geben, falls dir einer zu Ohren kommt, das ist alles, aber wie ich aus deiner Frage entnehme brauche ich mir diesbezüglich keine Sorgen zu machen.“ „Damit sollst du recht behalten, es ist mir sehr lieb, wenn du mir erlaubst auch etwas von deiner Existenz und deinen Plänen in meinem Land mitzuteilen. Es gibt dort einen großen Anteil an Moslemen, von denen ich wenigen freundschaftlich nahe stehe, anderen in ihre Heimat schreibe, die bereits in diese wieder zurückgekehrt sind, sie haben mich die arabische Sprache gelehrt und von so einem alten Bekannten bin ich vor 3 Tagen losgeflogen um mir diese Gegend näher anzusehen. Ich werde ihn in einigen Tagen wieder sehen und ihm von dir berichten, ich bin sicher, daß du von ihm recht bald hören wirst, er selbst hatte mich gebeten in dieser Gegend einmal vorbeizufliegen, denn er hatte schon von dir gehört, doch wollte er nicht recht an dein Vorhandensein glauben. Du siehst also, daß ich selbst zu deinen Glaubensbrüdern guten Kontakt habe. Mit drei dieser Bekannten habe ich in Gesprächen oft über den derzeitigen Zustand des Orients in ähnlicher Weise gesprochen, wie ich deine Vorstellungen nun verstehe.“
„Ja, in deinem Land sind viele Mohamedaner, die aus den verschiedensten Ländern stammen, du wirst vielleicht mit mehr arabischen Völkern zusammengekommen sein als ich und es freut mich zu hören, daß sich der Zeitgeist des freien Arabiens bis nach Europa zu artikulieren weiß und doch muß ich mich auch hier wieder entschuldigen. Ich weiß, daß selbstzerstörende sinnlose Anfeindungen unter den moslemischen Stämmen auch in deine Heimat getragen werden. Wisse, daß ich auch hiervon kein Freund bin und bereits meine Zuhörer darauf aufmerksam gemacht habe, daß dein Land immer zu allen Verträgen gestanden hat und kein Falsch kennt. Auch wünsche ich ausdrücklich die Heimkehr dieser Menschen in ihre Heimatländer, denn sie sind zu euch als Gäste gekommen, diese Recht darf niemals überschritten werden, darunter leiden die Sitten und deren Verfall ist das moralische Ende unserer Natur.“
Das Gespräch wurde jetzt immer tiefgreifender und ich war in gleichem Maße überrascht, über das Wissen von dem Fakir al Ahkaf, wie er über das meinige. Die beiden Frauen beteiligten sich lebhaft an unserem Gespräch und es war eine Freude für mich, mit welcher Ernsthaftigkeit und abgeklärtem Wissen diese drei Menschen hier eine Diskussion mit mir führten, selten habe ich so verständige Menschen getroffen wie hier, mitten in der Wüste. Nur der Name Emir Itakam, Herrscher der Rache, wollte sich nicht mit den Gefühlen vermitteln lassen, die diese jungen Mann auf mich machte. Dann wurde ich in einen der hinteren Räume geführt. Ich staunte, der Raum war in dem Untergeschoß, welches aus dicken Ziegelmauern errichtet ist und hier stand die modernste Militärtechnik, die sich einer nur vorstellen kann. Funkgeräte, Sendeanlagen, Empfangsanlagen für Radio-, Fernsah- und Telefon, bis zu Satellitenempfang- und Sendeanlage und hinter dem Gebäude war eine Solaranlage, die alles mit der nötigen elektrischen Energie versorgte. Meine Leser wissen, daß ich selber ebenso diese Technik anwende, doch meine Anlage ist im Vergleich zu der hier stehenden winzig zu nennen. Ich ließ mir die ganze Anlage erklären und sagte erst einmal nichts, sondern holte auch meinen kleinen Computer, der wie meine Leser wissen aus einem vor 3 Jahren noch modernen 6502 Prozessor, der Fernsteuerung, verschiedenen Sende- und Empangsgeräten, besteht.
Wir führten ein langes Gespräch über seine Möglichkeiten und die meinen, fanden schnell einen passenden Satelliten, den wir beide anzuzapfen gewohnt waren und über den wir uns in Zukunft auch verständigen
wollen. Der Fakir war begeistert von meiner kleinen selbstgebauten Anlage und ihrer Handlichkeit. So etwas hatte er noch nicht gesehen und es stellte sich bald heraus, daß ich durch die Verwendung von Kristallen als Speicher wesentlich mehr Informationen in meinem Rechner hatte und sie über das Magnetsystem schneller verarbeiten konnte als er mit dem viel teurerem Gerät. Auch waren seine Antennenanlagen wesentlich komplizierter als die meinen und doch ist nicht mehr mit ihnen zu erreichen. Da seine Anlage von einem befreundetem Scheik finanziert war und komplett, so wie sie hier stand angeliefert und aufgestellt war, hatte sie einige Nachteile, die eine Verbindung der einzelnen Geräte untereinander mit sich bringen kann. Da es fast unmöglich ist, die zueinander passenden Geräte als eine Anlage zu bekommen, waren auch hier einige Nachteile so gravierend, daß nur ein Umbau der Hardware wirklich Abhilfe schaffen konnte. Dieser Umbau ist mit wenigen Lötstellen meist zu bewerkstelligen, es muß natürlich ein wenig Material und Werkzeug vorhanden sein, was aber hier kein Problem sein konnte, da ich solcherlei dieses Mal bei mir hatte, obwohl eigentlich nur zum Eigengebrauch, aber unter diesen Umstäden setzte ich diese Teile auch gleich hier ein. So kam es, daß ich zwei Tage und zwei Nächte durchgehend an den Geräten arbeitete und alles was ich mir von dieser Arbeit versprochen hatte, war mir möglich auch in die Tat umzusetzen. Jetzt waren seine Anlagen fast gleichwertig der meinen. Es war eine Freude zu sehen und zu hören, wie begeistert Hassan von der neuen Verbindung innerhalb der Module und der dazugehörigen Programmierung seines Computers war. Er lobte mich über alle Maßen und gestand selber von der Hardware keinen Schimmer zu haben. Ein Techniker hatte die Anlage installiert, doch seine eigentliche Kapazität nicht nutzen können. Jetzt speiste ich meine Informationen auch in seinen Computer, mußte sie aber nochmals konvertieren, dann zeigte ich ihm, wie ich die Dateien auswerte und zu gebrauchen pflege. Er war erstaunt wie einfach alles gelöst ist und welche Mengen an Informationen in schneller Zeit auf seinem Bildschirm erschienen und ausgewertet wurden, zu diesem Zweck der Vorführung funkte ich einen Wettersatelliten an und rief seine aktuellen Meßdaten ab, die von Hassans Rechner nun dekodiert und als Bild zu sehen waren, dann steuerte ich mit diesem Satelliten meine Heimatstation an und trat in Verbindung mit meiner Freundin und Vertrauten. Er und die beiden Frauen waren mehr als überrascht.
„Wie, du benutzt die Satelliten einfach für deine Zwecke, so etwas ist möglich ?“ fragte Schefka, die morgenschöne Blüte von Al Ahkaf.
„Warum nicht, andere benutzen sie ja auch, es fällt noch nicht einmal auf, da ich in einem anderen Wertsystem arbeite als die herkömmlichen Computersprachen.“
Ich erklärte nun so weit meine Anlage und daß ihr zur Grunde liegende Brettmuster, die Matrix aus 11 mal 11 Zahlenwerten, die zur elffachen Potenzen einen künstlichen Raum in dem Computer schaffen, der alle Informationen in diesem aus endlosen Dimensionen sich weiterbildenden Raum ihren Platz zuweist, ein simples Beispiel ist der Klang der verschiedenen Sprachen. Ein Wort als Beispiel nehmend wählte Schefka die Milch, jetzt konnte ich alle bekannten Sprachen abfragen und den Klang und die Schreibweise getrennt ablesen. Ich wählte arabisch und wie erwartet, der Schriftzug in arabischen und koptischen Lettern erschien auf dem Bildschirm, darunter stand <LEBEN> in „meiner“ Schrift als Lautschrift. Ich zeigte auf die Buchstaben und sagte:
„So wird Leben in der deutschen Sprache mit lateinischen Buchstaben geschrieben, könnt ihr euch diese 5 Zeichen merken? -dann zeige ich euch jetzt was „Leben“ auf arabisch bedeutet, denn es ist auch ein anders Wort in meiner Sprache, ihr werdet staunen.“
Ich rief das Wort Leben auf den Bildschirm und ließ die arabische Übersetzung gleich dahinter anzeigen.
“Be ism lillahi. - In Allahs Namen.“ hauchte Schefka.
“Allah akbar. - Allah ist groß.“ stieß Fatima heraus.
Hassan klatschte in die Hände und rief :“Darb! Ethar! Die Spur! Die Fährte! Das habe ich schon immer gesucht, hast du alle Klänge der Sprachen in der dener Lautschrift?“
„Ja, du kannst hier nach Klängen, Silben, einzelnen Buchstabenfolgen, auch nach der Lautschrift, nach allem und in allen vorstellbaren Richtungen suchen lassen, daran ist gleichzeitig eines der bedeutendsten Lexika angeschlossen, wo du in jeder Sprache die ich bisher eingegeben habe deine Informationen abfragen und beantworten lassen kannst.
So, ich stelle dir die Funktionstasten ein, daß du in arabischer Schrift schreiben kannst und gleichzeitig die Tasterturbelegung auf dem Bildschirm abgebildet ist, diese kannst du mit den Funktionstaste ein und ausschalten, .... .“
So erklärte ich noch kurz die 10 notwendigen Funktionstastenbelegungen, daß die drei ohne jegliche weitere Hilfe von mir alles abfragen konnten, dann setzte ich den Programmstart direkt zu meinem Programm, so kann, wenn wider Erwarten einmal etwas nicht so funktioniert, wie man es sich vorgestellt hat, mit dem Rücksetzbefehl alle Register des Rechners, einem sogenannten Reset, neu das Programm gestartet werden. Zudem installierte ich noch eine kurze Funktionstastenbeschreibung, damit verabschiedete ich mich für 13 Stunden Nonstopschlaf, die ich nun nötig hatte. Im Grunde ist es mir ein Greuel, diese hochgelobte Elektronik, doch sie schafft zu Weilen gerade da mehr, wo einen normalerweise selbst in einem eigenem Land einfach Rechte vorenthalten werden, wie das der Meinung oder die Unterrichtung durch ungefilterte Nachrichten usw. Dieses und mehr noch erzählte ich während der letzten Handgriffe an der Software. Schefka bedankte sich noch einmal für den herrlichen Rundflug und ließ sich von mir versprechen, sie noch einmal mitzunehmen. Dann ging ich schlafen, die beiden Frauen hatten mir ein regelrechtes Himmelbett hier im Haus eingerichtet, über einem Serir, einem Holzgestell mit Teppich und Kissen darauf, weches mir als Lager diente, war ein großes Tuch gespannt, doch achtete ich jetzt nicht weiter darauf, sondern war froh die Strickarbeit am Computer hinter mir zu haben. Nach Stunden wachte ich auf, es war Nacht und im Haus herrschte Ruhe. Ich stand auf, machte mir einen Tschei, in dem Raum der als Küche benutzt wurde, holte meine Friedenspfeife, das große Kalumet und die Kräuter aus meinem Gepäck. Ich hatte gerade das Kalumet gestopft und den Tee aufgegossen, da kam Schefka zu mir.
„Salam aleikum - Begrüßet seist du. Ich habe gehört das jemand in der Matbach, Küche ist und mir gedacht, daß du es seien wirst. Hast du etwas dagegen, daß ich dir Gesellschaft leiste? Laß mich dir ein kleines Mahl bereiten. Stelle dir vor, wir haben zu dritt den ganzen Tag vor dem Computer gesessen und immer neue Verbindungen in den Sprachen gefunden, Hassan ist ganz begeistert und hat sich eine Menge ausdrucken lassen. Sag darf ich dir Gesellschaft leisten oder störe ich dich?“
„Ganz im Gegenteil, ich freue mich daß du mir Gesellschaft leisten willst. Schau ich habe eine Kräutermischung zum Rauchen zusammengestellt, möchtest du die Kräuter mit mir rauchen? Darf ich dich zu dieser Pfeife einladen?“
„Was hast du denn für Kräuter in deiner Pfeife, etwa Haschisch oder die Säfte des Mohn?“
„Ja, die sind auch darunter, doch nicht viel davon, kennst du den Safran, der aus Persien kommt, den Bendsch, der in meiner Heimat Bilsenkraut genannt wird und das Schedr es simm, welches mit dem Namen
der Wissenschaft Euphorbia genannt wird, ich habe selbst die Euphorbie angebohrt und den heraustropfenden Saft in einem Gefäß aufgefangen, - ja, und dann sind noch eine Anzahl von Kräutern und Pilzen aus meiner Heimat dabei, die du nicht kennen wirst.“
Jedenfalls ließ sich Schefka nicht lumpen und zog kräftig mit an der Pfeife. Wir haben viel Spaß gehabt und viel gelacht, so wie es zuweilen von der Mischung vorkommt, die einen zugleich hellwach und ja, ich muß sagen albern macht. Wir haben es so genossen, daß bald Hassan mit Fatima zu uns kamen und sich uns anschlossen. Der Tee floß für unsere Verhältnisse in Strömen, so wie es nach dem Genuß dieser Kräuter üblich ist, was zur Folge hatte, daß bald unser Wasservorräte aufgebraucht waren. Mit mir ging Schefka zur Bir Aslam, der Quelle des Löwen hinüber zu den Ausläufern der Gebirgszüge. Der Weg ist nicht einfach zu laufen, da wir das Geröllfeld überqueren mußten. Die Wirkung der Pfeifen ließ uns aber über die Felsen und das Gestein nur so hüpfen, es war wie ein Spiel des Körpers und gleichzeitig so unbeschwert lustig für die Seele. Nach 3/4 Stunden erreichten wir die Quelle und konnten gleich eine unserer Flaschen aus der vollen Schale füllen. Unter einer überhängenden Klippe tröpfelt in der hintersten Ecke eine geringe Quelle und füllt hier unablässig Wasser in eine Schale, solange bis sie überläuft oder geleert wird. Etwa 20 mal am Tag ist die Schale gefüllt, jede Stunde läuft etwas weniger als einen Liter zusammen. So eine Quelle ist für eine Ansiedlung zu wenig, und doch kommen hier zu Weilen von dem umliegenden Stamm einzelne Bewohner her, die vom Fakir die Lage der Quelle kennen. Hassan hatte die Quelle vor zwei Jahren entdeckt, als er sich zwischen dem nun verlassenem Ort und den Gebirgsausläufern aufhielt, um in der Einsamkeit, seinem Gott Allah näher zu sein.“
„Anfangs haben mich meine Schwester und einige Freunde hier versorgt, siehst du das große Faß, darin wurde jede Woche mühsam neues Wasser gebracht, denn hier im Helle, Dorf ist auch der letzte Brunnen versiegt. Ich streifte zu dieser Zeit oft in dieser Gegend umher und lernte die Beduinen in den umliegenden Duar, Zeltdörfer kennen. Aus einem dieser Dörfer stammt auch Fatima, meine liebliche Braut, mit der ich nun über ein Jahr zusammen bin. Aus diesem Duar bekam ich auch das erste mal Nachricht über die Anwesenheit einer Löwin, die sich hier herumtreibt. Eines Morgens sah ich die Fährte des Tieres in der Nähe der Wasserstelle und folgte ihr, wie erfreut war ich die Quelle zu finden, es war keine Woche später, da sah ich auch Goze el assad, die Gemahlin des Löwen. Es war das erste Mal, daß ich Goze el assad sah und ich habe das Tier nicht wieder gesehen, doch in regelmäßigen Abständen finde ich die Darb, Spur des Tieres unter der Klippe. Goze el assad hat die Quelle freigelegt.“
Das hatte mir Hassan erzählt, bevor wir uns auf den Weg zur Löwenquelle machten. Es war mir eine Freude mit Schefka hier her zu laufen, sie bezauberte mich mit ihrer Fröhlichkeit und ihrem Leichtmut. Nun haben es die Kräuter auch je nach Zusammenstellung an sich den Genißer die Beherrschung über seinen Körper neu zu vermitteln, d.h. das, was man Gewohnheit nennt und der Körper an sich selbstständig ausführt, macht er mit einem Mal nicht mehr. Ich habe das an anderer Stelle schon beschrieben, was aber Schefka jetzt merkte und sie geriet darüber in solche Verzückung, daß wir uns beide hinsetzen mußten, um vor Lachen nicht umzufallen. Sie wollte mir sagen, was mit ihr vorging, doch kamen nur unversändliche Laute aus ihrem Mund. Solange sie mich mit ihrem Lachen ansteckte, war es mir auch nicht möglich diesen Zustand zu erklären. Wenn ich daran denke, was wir an diesem nicht enden wollenden Lachen gelitten haben, uns standen die Tränen in den Augen, den Bauch mußten wir uns vor Schmerzen halten, die Luft drohte uns auszugehen und sobald Schefka mir in die Augen sah und mich ansprechen wollte, platzte sie von neuem mit ihrem ansteckenden, herzerweichenden und schluchzenden Lachen heraus. Da wir auch die zweite und dritte Flasche füllen wollten, konnten wir hier angenehm sitzen. Wie unter einem Vorzelt saßen wir auf einer kleinen Felsbank, hinter uns tröpfelte das Wasser in die Schale und über uns stand die Klippe soweit vor, daß wir jetzt in den Stunden des Morgens ein genügendes Schattenplätzchen zur Verfügung hatten. Es ist fast unglaublich, wie schnell die Zeit verstrich, wir lachten zwar nicht die ganze Zeit und schließlich bekam Schefka auch endlich ihre Zunge unter Gewalt. Treu nach dem alten Sprichwort, viel ist leicht und nichts ist schwer, erklärte ich Schefka, was es mit ihrer veränderten Wahrnehmung und der sich daraus ergebenden Harmonie zwischen Körper und Wollen ergib.Sie hörte aufmerksam zu und schließlich fragte sie nach allen Möglichkeiten, wie ich die Kräuter einsetze und was ich bereits mit ihnen erlebt hatte. Meine Leser werden sich nicht wundern, daß dieses Mädchen gerne alles kennen lernen wollte. Ich machte sie darauf aufmerksam, daß jeder Mensch anders, vielleicht sogar entgegengesetzt auf ein Kraut reagiert, wie ein anderer und daß die Zusammenstellung immer nur eine gefühlsmäßige sein kann, wobei selten zwei ähnliche Wirkungen hervorgerufen werden.
„Die Pfeifenmischung, die uns zum Lachen gebracht hat, kann in leicht veränderter Form genau in das Gegenteil umschlagen, dann erscheint einem die Welt fad und sinnentleert oder nüchtern und ernst, ein Grund zur Freude will sich dann nicht finden.
Kennst du, Blume der Morgenröte solche Zustände?“
„Nur zu gut, doch in letzter Zeit geht es uns ein wenig besser und Hassan findet oft eine Lösung aus beklemmenden Gefühlen.“
„Ja, ich sehe es ihm an, daß er sich beherrscht, und ebenso sehe ich es dir an, wer sich und seine Empfindungen kontrolliert, der findet einen Ausweg. Verweile bei dir, suche durch einfaches Abwarten, mit deinen Sorgen allein, in dieser Ruhe zu finden. Keine Wunde gibt es, die man nicht auskoste, dies ist der Zauber dieser Welt, die mit ihrer Tiefe, einsam in den Schluchten aus Fels und dem ewigen Schnee liegen. Nicht ein Lebewesen trifft der Wanderer hier, einsam wie ein Mensch nur seien kann, trifft er den eigenen Tod, weil er jeden Schmerz leben will oder daran sterben will, sucht er diesen Platz zum Weilen. Hier weile, hier warte, hier bewege dich nicht, höre deinem Atem zu, spüre ihn, wie er den Schmerz verstärkt, der stolze Körper hält durch, obwohl die Seele dem Wahn nahe ist, wie es die Empfindung lenkt, so wünsche es zu spüren, damit erkenne die Grenze des Selbst, die vor dir auf der Flucht ist und immer bleibt sie unerreicht. Nicht ist es möglich eine Frage zu stellen, was man weiß, nur dieses weiß das Ich, nicht weiß es von anderen, obgleich sie ihm vertraut erscheinen, sind sie doch fremd, nicht Ruhe findest du bei Menschen. Es gibt Bereiche in unserer Welt, die keine Grenzen kennen und keinen Gesetzen unterliegen, allein die eigene Stärke regiert diese Bereiche, die eigene Kraft ist die Beherrschung seiner selbst, diese Beherrschung
kann man nicht lernen, sondern nur an sich selber kennen. Diese Beherrschung wird man selber und man erkennt zugleich, daß man sich selber nicht mehr spürt wie zuvor. Man ist nicht Körper, denn er ist etwas äußerliches, ganz eindeutig liegt er dann da und die Seele trennt sich von ihm, der wie ein Toter zurückbleibt. Der neue Seelenkörper ist dem Fleischkörper gleich, doch alles ist ihm unbekannt, weder vermag er zu sprechen noch zu laufen, das Hören ist gleich Erschütterungen und das Sehen eröffnet nicht selten andere Welten, die kein anderer Mensch kennt. Mit ruhiger Geduld und Eigenvertrauen, unter oft schmerzlichen Empfindungen stellt sich der freie Seelenkörper dem Willen ohne Wünsche zur Verfügung und lernt schnell diese andere Wahrnehmungsart zu verfeinern, alles ist wichtig und einzigartig, alles ist belebt, es gibt keinen Tod in der Materie, sie reagiert als Folge eines unerklärlichen Zusammenspiels aller Erscheinungen. Die abgeklärte Ruhe, ohne Erwartung zu warten befreit und macht gleichzeitig bereit, für das auf einen Zukommende, gibt die Ruhe, die Stärke, es auch ertragen zu können.“
Schefka schaute mich durchdringend an, ihr Gesicht war plötzlich ganz ernst, ich mußte lachen.
„Willst Du damit sagen, daß du in andere Welten gehen kannst, die kein anderer betritt, ist denn diese Welt nicht die einzige, außer Himmeln und der Hölle?“
„Diese Welt ist schon die einzige in der man Menschen trifft, doch sind andere Welten in dieser enthalten oder umgekehrt, zu denen jeder Mensch Zutritt haben kann, soweit er sich darum bemüht und ehrlich
vor sich selbst ist.
Manches Mal findet sich ein Mensch in seinen Träumen oder durch eine Krankheit ausgelöst plötzlich in solchen Bereichen wieder, wenige gelangen dort vorsätzlich hin, weil man eigentlich nicht willentlich
hineingehen kann. Es ist, als ob eine sagen wir gewisse Bereitschaft vorhanden ist, für die man sich öffnet, oder die eigene Ruhe öffnet sich diesen Welten.“
Schefka schaute mich nun mißtrauisch an.
„Hassan hat mir einmal berichtet, das er sich nach langem Fasten wie in einem Wahnzustand befand, der ihn Dinge sehen und erleben ließ, die furchtbar für ihn waren. Es kam ihm vor, als reiße man ihm das Fleisch in kleinen Stücken von den Knochen, sein Fleisch wurde in einem Kessel gekocht und seine Knochen wurden aufgebohrt damit alles Unreine hinauslaufen konnte, ließen die Wesen den Wind durch sie blasen. Der Wind blies eine Musik wie durch eine Flöte, die Hassan zu weilen hört, sie kommt manchmal bei seinen Reden an sein Ohr, dabei fängt sein ganzer Körper an zu zittern und er sagt, dann greife eine seltsame Kälte von ihm Besitz, gleichzeitig vibriert er innerlich an allen Körperstellen, es sei, als ob jede Zelle seines Körpers sich dann ihrer bewußt ist. Dann hört Hassan auf zu denken und etwas in ihm spricht weiter, wobei er selbst seiner Stimme lauscht und sich nachher nicht selten darüber wundert, woher er diese Rückschlüsse und das Wissen hat. Die Wesen, die er in diesem Fastenzustand antraf waren den Menschen ähnlich, doch nicht gleich, er weiß zwar keinen rechten Unterschied zu nennen, doch er hält die Wesen eher für Verstorbene, als für Lebende. Jedenfalls hat er den Eindruck gehabt, als sei alles vollkommen real und so spürte er auch die Schmerzen, die seinem Körper zugefügt wurden und doch war er zugleich ein außenstehender Beobachter, der sich vollkommen von dem, was da mit ihm geschah gefühlsmäßig lösen konnte. Sicher kann er dir noch mehr davon erzählen, jedenfalls spürte er sich wie von einem Band zurückezogen und wachte in der Höhle, in die er sich zum Fasten zurückgezogen hatte wieder wohlbehalten auf, Allah sei Dank.“
Schefka schaute mich noch immer so durchdringend an.
„Ist das so eine Welt, wie die, von denen du weißt, oder ist es etwas anderes?“
„Ja, es ist eine von den Welten, von denen ich gesprochen habe, auch mir ist ähnliches widerfahren.“
Ich erzählte ihr Zustände, die ich an anderen Stellen zum Teil schon beschrieben habe. Mittlerweile hatten wir schon drei Flaschen füllen können und traten unseren Rückweg an, der wesentlich ernster war als der Hinweg, obgleich er uns nicht schwerer fiel. Schefka ist eine gute Zuhörerin, das erfuhr ich von Hassan, der mich nach allen Einzelheiten befragte, die ich ihr erzählt hatte, das war an dem darauffolgenden Tag. Er erzählte mir auch, das Fatima und er sich wieder hingelegt hatten, als Schefka mit mir zur Quelle des Löwen ging und daß er plötzlich in einen Zustand äußerster Klarheit geruht habe, was er auf die Rauchmischung zurückführte.
„Hast du deine Kräuter aus dem Garten des Paradies?“
„Wenn du es so nennen willst, so bin ich damit einverstanden, obgleich dieses Paradies das geheime DIES ist, in dem alle Menschen leben, es ist die große Mutter Natur, die Mutter aller Menschen, die für ihre Kinder alles zum Leben zur Verfügung stellt, was sie sich nur wünschen können. - So würde ich es beschreiben.
Du würdest sicher sagen, das Allah diese Pflanzen wachsen läßt, worin ich dir mit meiner Auslegung nicht widersprechen will, sie ist lediglich eine andere Form des Ausdruckes, die du mir gestatten möchtest.“
„So glaubst du an die archaische Muttergöttin, mein Bruder?“
„Ja, so möchte ich es fast ausdrücken, obgleich ich sie nicht als Göttin bezeichnen will, sondern lieber als meine Großmutter, von der wir alle stammen, wenngleich sie selber als tot zu bezeichnen ist, leiht sie uns
sozusagen ihr eigens Leben, sie ist die Seele der Natur selber.“
„Warum nennst du sie dann Großmutter und sprichst von ihr wie einem Menschen?“
„Weil sie mich liebt, wie ihren Enkel, mein Bruder, verstehst du das?“
„Ich weiß, daß du die Wahrheit sprichst, denn deine Worte berühren mich auf eine ganz seltsame Art, die deiner tiefen Zuneigung zu allen lebenden Wesen entspricht. - Manchmal habe ich den Eindruck von dir, als seist du wie ein großer starker Baum, der voller reifer Früchte ist und im Sonnenlicht auf einer großen Wiese steht, deine Früchte, deine Worte sind die Nahrung die mir noch fehlte.“
Bei diesen Worten standen Hassan die Tränen in den Augen und er umarmte mich, plötzlich war er nicht mehr der beherrschte Mann, sondern er zeigte zum ersten Mal seine Gefühle offen. Die beiden Frauen, die neben uns standen umschlossen uns mit ihren Armen. Fatima standen auch die Tränen in den Augen und Schefka strahlte mich verzückt an. Nach zwei Minuten war alles wieder unter Kontrolle, ich wurde aufgefordert das gerade gesagte näher zu erklären.
„Ich habe Schefka schon von ihr berichtet und sie hat es euch erzählt. Die Großmutter ist die schwarz gekleidete Frau, die mich einen Berg hinauf führte, auf dem ich die neun weißgekleideten Wächter der Unterwelt und des Todes antraf, die mir meine Sinnesorgane nahmen, indem sie meinen ganzen Körper in kleine Stücke rissen und diese in das unterirdische Feuer warfen, seit dieser Zeit ist sie wissentlich meine Großmutter, die ich unwissentlich aus ihrem Grab gerufen habe.“
„Du sagtest sie sei tot und doch hat sie dich geführt, wie ist das möglich?“
„Sie ist tot, weil sie ihr Leben nicht leben kann, so wie ein anderes Wesen, in der Unterwelt ist sie aber lebendig, denn aus der Unterwelt, der Welt der Toten stammt das Leben im geheimen Dies, welches diese Welt ist. Alle Keime des Lebens liegen in ihr, der Mensch ist in diesem Sinne kein Einzelwesen, sondern ein Teil des Ganzen. Der Weg zu ihr führt über die Liebe zu sich selbst, die in der Selbstbeherrschung ihren Ausdruck findet und obwohl ich hier zwischen euch stehe, so muß ich doch sagen, daß es keinen Weg zurück in diese Welt gibt, was schwer zu verstehen ist. Die Selbstbeherrschung ist kein Verzicht auf Weltlichkeit, sondern sie ist das Wissen über sich selbst, in jeder Sekunde, bei jedem Atemzug und jedem Herzschlag des Lebens. Dieses hört sich schwerer an als es ist, denn alles, was ich selber für richtig halte, das mache ich auch. Da, wo ich keinen richtigen Entschluß fassen kann, ob es mir schadet oder hilfreich ist, etwas zu unternehmen, anzusehen, zu hören, zu genießen, laß ich es bleiben und verweile nicht dabei, so führe ich ein richtiges Leben vor mir selbst, dieses ist meine Liebe zu mir selbst und allem anderen. Alles was ich mache ist ganz, mit der Gewißheit, daß es richtig ist, so kann ich alles gerne machen, selbst unangenehme Sachen. Ich sehe mich als ein wahrnehmendes Wesen, umgeben von einer Wahrnehmung, die mich einschließt wie die Lider ein Auge. Ich bin so wie der Augapfel, dem ein Blick in die Welt gewährt ist, auf daß er unterscheide. Die Unterscheidung setzt manchmal ein langes Warten voraus, doch die Wahrheit kommt immer zu einem. Um die zwei Lider befindet sich eine weitere Wahrnehmung, mit der jedes Wesen in Wechselbeziehung steht, diese Wahrnehmung ist eigentlich eine innere, die uns in den Gefühlen offenbart wird. Schließt ein Mensch die Augen, so hat er eigentlich nie ein Bild vor sich, was er für sich sieht, er sieht also nur ein unendliches Schwarzes, irgendwann wird wohl jeder in seinem Leben die Ruhe gefunden haben, diese Schwärze zu sehen. Betrachtet man dieses Schwarz über einen langen Zeitraum stiller Geduld, so wird man feststellen können, daß es in Wirklichkeit das Innere eines Auges ist und in diesem Moment sieht man auch schon ein menschliches Auge mit Lidern. Diese Auge ist der Spiegel der Welt, durch das Alles existent ist und mit dem Alles wahrgenommen wird. Die Größe des Auges ist nicht zu bestimmen, da es keinen Vergleich zuläßt. Das Auge bezeichne ich als weder männlich noch weiblich, es ist eine allgegenwärtige Wahrnehmung, die direkt vor einem sichtbar ist, und das nicht nur bei geschlossenen Augen. Die Sinne und Gefühle sind die Gaben der Großmutter an ihre Kinder, so wie das Leben es selber ist. Das Leben ist sozusagen unser Eigentum, welches wir abbrechen können oder bis zum natürlichen Ende gehen können, so wie es uns beliebt.
Die Gefühle sind aber das Eigentum der Großmutter, was sie in der Stunde unseres Todes zurückverlangt.“
„Warum nennst du diese Kraft nicht Allah?“
„Weil sie für mich ein reales weibliches Wesen ist, was seinen Ausdruck in jeder Frau verkörpert.“
„Ist das Auge denn das Auge Allahs?“
„Ich nenne es das Auge des Schicksals, weil alles Sein von diesem Auge abhängig scheint, es ist etwas vollständig anderes als das weibliche oder männliche Prinzip, und doch bilden die drei eine Einheit. Das Auge der Wahrnehmung ist über alles erhaben und mit nichts zu vergleichen.“
„Gibt es auch eine männliche Kraft, und wenn in welchem Verhältnis stehen sie zueinander?“
„Eine männliche Kraft gibt es, ich möchte sie als die himmlische Kraft bezeichnen, durch die erst das Wunder des Lebens möglich ist, im Zusammenwirken mit der weiblichen Natur, denn diese männliche Kraft ist der Tod selber, der so seine Vorhandensein in dieser Welt des Lebens erklärt. Der Tod ruht in der Grotte auf dem Berg, wer zu ihm gelangen will, muß in das Feuer, in den Herd der Unterwelt, über dem der Kessel der Unterwelt kocht. Der Leuchtkörper der eigenen Seele ist der Schlüssel zum Totenreich. Die Gefühle, wie der Körper, sterben zur Erde, das Sein verliert sich in Raum und Zeit, bzw. wird von ihnen verschlungen, als sei es Nahrung, das heißt, die bewußte Wahrnehmung jeden Wesens nährt sich auf der Erde und wird im All aufgenommen. Man könnte die Trennung von Wahrnehmung und Gefühl im Augenblick des Todes eines Wesens als Reinigung der Bewußtheit bezeichnen, welche sich dann als Nahrung für den Tod bis an die Grenzen des Himmels ausdehnt, wobei es seine Eigenständigkeit, seine Maske, welche als Person bezeichnet wird auf der Erde läßt, damit sie in die Elemente eingehen kann, wohin sie gehört. Die Wahrnehmung wird zu dem ganzen Bewußtsein zurückgenommen, und findet sich nicht wieder, die Sinne werden aber von der Großmutter entgegen genommen, die diese Erde noch nicht verlassen kann.“
„Du sagst noch nicht verlassen kann, soll das heißen, daß deine Großmutter einmal die Erde verlassen wird?“
„Das soll heißen, daß es irgendwann oder jetzt sofort möglich ist, daß sich alles ändert. Dann wirft die Großmutter alles nach außen, was sie nun noch in sich hält und der Himmel wirft sich zusammen, als ob beide ihre Rollen tauschen. Das Bewußtsein wird eingeschlossen und versiegelt und die Sinne werden frei gelassen, die Maske fällt, indem sich die Großmutter als Braut eines Menschen zeigt. Ihr Aussehen ist mehr als schrecklich zu nennen, doch ist sie für ihren Mann die Schönste. Raum und Zeit wird es nicht mehr geben und nichts wird so sein, wie wir es kennen, nur das Auge des Schicksals wird sich nie ändern und über alles Auskunft geben können, selbst wenn es dann keine Zeit mehr gibt. Das Auge des Schicksals ist vor dem Anfang und nach dem Ende, das was es immer ist und sein wird, das Rätsel der Welt, in dem alles offenbar liegt, weil nichts darin ist. Die ganze unendliche Welt ist sozusagen in dem Auge des Schicksals, welches sich nie schließt. Das Leben eines Menschen ist nur ein Augenblick, eine als zeitlos dauernde Spanne, ein Nichts.“
„Woher nimmst du deine Gewißheit?“
„Ich halte dieses Wissen eigentlich für allgemein bekannt, obgleich ich nicht sagen kann, warum es niemand kennen will.“
„Glaubst du mir, wenn ich dir sage, daß es das erst Mal ist, daß ein Mensch mir solche Beschreibungen von der Welt gibt?“
„Natürlich glaube ich es dir, obgleich doch jedes Wesen sein Zeugnis dafür im Leben, so wie in der Stunde seines Todes gibt. Ich muß auch sagen, daß ich es selber nicht wußte, bevor ich andere Welten kennenlernte, und doch ist es mir, als sei dieses mein Wissen nur eine Erinnerung an etwas, das ich schon immer wußte und was jeder weiß. Diesen Widerspruch vermag ich jedoch nicht ganz zu erklären, denn ich bin mir selber ein Geheimnis.“
Jetzt mußten wir alle lachen und Schefka sagte, „Du bist nicht nur dir ein Geheimnis, lieber Freund.“
„Und doch gibt es eine ganz vernünftige Erklärung,“ fügte ich hinzu. „Jedes Wesen wird durch seine Geburt sozusagen reingewaschen und dabei wird das Bewußtsein des Himmels in uns gelöscht, dieses geschieht bei der Verschmelzung von Bewußtsein mit Seele und Körper zu einer Einheit als lebendes wahrnehmendes Wesen, was mit dem Verstand folgerichtig denken kann. Diese Verschmelzung lösen die Wehen einer gebärenden Weiblichkeit aus, es ist ein Todesschrei der Seele, der auch ausgelöst wird, wenn zum Beispiel ein Eingriff in den Körper der Weiblichkeit vorgenommen wird, der das entstanden Leben nun von der Weiblichkeit löst und sogar wenn eine außerkörperliche Befruchtung vorgenommen wurde. Bei der Befruchtung der Weiblichkeit trifft das männliche oder himmlische Prinzip mit dem weiblichen oder irdischen Prinzip zusammen und aus der Verschmelzung geht das Wunder des neuen Lebens hervor. Damit die Bewußtheit Nahrung erhält, öffnet sich sozusagen der Himmel und umschlingt die Erde, dem einzigen Ort, wo sich Bewußtheit mehren kann, denn der Himmel ist noch immer in seiner Phase der räumlichen Ausdehnung begriffen, jedenfalls wenn man es wissenschaftlich betrachten will. Ein natürlicher Raum ist immer einem Wechsel von Erweiterung und Verkleinerung unterworfen. Solange sich etwas erweitert, mag es uns als ewig oder unendlich erscheinen, weil keine feste Grenze gezogen werden kann, die nicht wieder weitergesteckt werden muß. Doch diese Grenzen liegen eigentlich nicht im Äußeren, sondern im Inneren, in uns, solange wir forschen werden wir nicht an wirkliche Grenzen stoßen, erst wenn wir hinnehmen könne, werden uns die Grenzen offenbar, diese können wir nach unserer eigenen Stärke ins Unendliche ausdehnen. Das mag sich widersinnig anhören, doch Erkenntnis kann man weder lernen, noch erklären, ebensowenig den Tod oder das Leben, man muß es als gegeben hinnehmen.“
„Würdest du die männliche Kraft als Gott bezeichnen?“
„Nein, für mich ist diese Kraft mein Bruder, oder der Tod als Maske, denn alles was ich gesagt habe sind nur Bilder und vermögen nicht jenes auszudrücken, was es ist, weil unser Maßstab, unsere Vernunft nur ein kleiner Ausschnitt von der Gesamtheit ist, so können Worte sie nicht hinreichend beschreiben. - Die Möglichkeit die männliche Kraft als Gott zu bezeichnen ist natürlich auch gegeben, wobei ich aber festhalten möchte, daß die Bewußtheit ebenso wie die Gefühle nicht nur dem Menschen zu teil werden und ein Mensch nicht einfach von sich auf einen Gott schließen kann, der menschliche Eigenschaften haben soll, deshalb heiß es auch, mache dir kein Bild von deinem Gott. Jeder Mensch ist seinen Gefühlen und seinem Bewußtsein gegenüber Rechenschaft schuldig, diese wird er am Ende seiner Zeiten geben müssen.“
„Du sagst am Ende seiner Zeiten, so glaubst auch du an eine Auferstehung der Toten und an ein Gericht, vor das jeder Mensch treten muß?“
„Nein, jeder Mensch hat sein irdisches Leben als Rechenschaft, und in diesem Leben entscheidet er sich, ob er eine Maske ist oder ein wahrhaftig wahrnehmendes Wesen in einer unvollendeten Welt, bereit dazu die
Welt als freies Wesen zu verlassen, um in das Unbekannte der Zwischenwelten zu gehen, was neben der Bewußtheit, von der ich gesprochen habe einen eigenständigen Platz für sich hält, oder an der Vollendung dieser Welt mitzuwirken, da jedes menschliche Wesen daran Anteil hat. Jeder Mensch ist bewußt oder unbewußt an der Vollendung beteiligt, ob er es will oder nicht, deshalb heißt es auch, alle Menschen sind dem Gott gleich wert. Jeder macht für sich auf seine Art das Leben zu dem, wie er es für richtig hält, ganz gleich was ein anderer darüber denken will, er kann dieses nicht ändern und der freie Wille hält immer die Möglichkeit offen seinem eigenen Tod die Hand zu reichen, wenn eine wirklich ausweglose Lage ihn dazu zwingen sollte. Denn falschen Taten ziehen neue falsche Taten hinter sich her und die Verstrickung nimmt so kein Ende. Es gibt kein Erbarmen und keine Gnade, sondern nur das richtende Leben vor sich selbst.“
„Werden deines Wissens viele Wesen diesen Platz erreichen?“
„Das kann niemand sagen, es wird sich alles offenbaren, wenn sich der Knoten der verstrickten Zeiten löst.“
„Wie sollte sich so etwas zutragen können?“
„Alle Überlieferungen, Märchen, Mythen und Religionen sprechen nur darüber, daß irgendwann ein einzelner Mensch dazu in der Lage ist, dieses auszulösen. Wir können sagen eine Frau kann dieses erreichen, wenn sie die himmlische Kraft, den Tod zum Bräutigam gewinnt und ein Mann kann es erreichen, wenn er die irdische Kraft zur Braut gewinnt. Die Christen sagen ein Mann sei schon einmal auf Erden gewandelt, dem es gelungen sei, ich spreche von Isa, dem Sohn Miriam, den der Koran als Propheten ausweist.“
„Was denkst du über Isa?“
„Ich denke, wenn es ihn gegeben hat, so ist er nicht derjenige gewesen, für den er gehalten wird, von daher ist er mir gleichgültig. Ihr wißt selber, daß oft Geschichten über andere gesprochen werden, die jeglicher Wahrheit entbehren, für solch eine Geschichte halte ich die Bibel, in ihr wurden viel ältere und genauere Voraussagen und Berichte zusammengefaßt, was ohne Zweifel zu beweisen ist. Der Grund für solche Werke ist immer die Sicherung der weltlichen Macht gewesen, durch einen angeblichen göttlichen Auftrag. Doch solche Machenschaften sind im Plan der Menschen angelegt, damit die Menschheit ihr Schicksal erfüllen kann und endlich erkennt.“
„Hältst du auch den Koran für solch ein Werk?“
„Eigentlich habe ich keine Meinung zu diesen Sachen, doch möchte ich betonen, daß beide Bücher auch voll der Wahrheiten stecken und so wie du, Hassan den Koran zu deuten verstehst, nimmst du den wahren
Kern und die Möglichkeit der Transformation richtig vor, damit behandelst du das Werk selbstzweckfrei, dadurch erhält es einen wahren Wert. Ich nehme an, daß du mir diese Ansicht nicht verübelst.“
„Wenn das ein anderer vom mir verlangen wollte zu verstehen, als du, der du ein Meister in der Redekunst bist, so dürfte er sich nicht mehr mein Freund und Bruder nennen, doch bei dir bin ich froh, daß du beides für mich bist, ich kann keinen Groll gegen dich fühlen, weil du immer aussprichst, was du als richtig erkannt hast. Deine Wortwahl ist immer so gehalten, daß dir selbst der ärgste Feind nichts nachsagen kann, als daß du die Wahrheit sprichst. Du mußt in der Welt auf viel Unverständnis stoßen, und doch lebt eine Ruhe in dir, die mich fast erschaudern läßt.“
„Der Schauder ist mit der Erkenntnis aufs Engste verbunden, dieses weißt du genauso gut wie ich, ist es nicht so, lieber Bruder.“
„Hört ihn euch an, er behält immer das letzte Wort.“
„Ich habe die Befürchtung, daß ich alles wieder vergessen werde, was du uns gesagt hast, es ist jetzt schon, als wüßte ich deine vielen Worte nicht mehr auseinanderzuhalten. Mir wird schon ganz wirr in meinem kleinen Kopf, als wisse ich nicht mehr was ich überhaupt noch glauben soll.“
So verabschiedete sich Fatima und ging in den kleinen Raum, der uns als Küche dient. Wir folgen ihr und zusammen stellten wir uns erst einmal eine Art Eintopf aus allen möglichen Gemüsen und Getreiden zusammen, mit denen wir dank der freundlichen Moschee-Besucher gut ausgestattet sind. Das brachte uns den nötigen Abstand für ein lustiges Zusammensein, zumal wir dabei von den Kräutern genossen, die einem den Hunger nicht verderben. Es war schon spät, Chronos zeigte schon auf dreiviertel zwölf und als wir endlich gegessen hatten gingen Hassan und Fatima zu Bett. Schefka und ich räumten noch alles auf, dabei fragte sie mich: „Du weißt vieles, doch was wird aus dir, wie wird wohl dein Tod aussehen, wirst du in Ruhe sterben können, was meinst du?“
„Soll ich dir meinen Tod beschreiben, liebe Schefka? Es ist eine wirklich unterhaltende Geschichte.“
„Wie, du willst mir deinen Tod schon jetzt beschreiben, bist du sicher, daß du da auch die Wahrheit sprichst?“
„Natürlich spreche ich die Wahrheit, doch laß es dir beschreiben, nachher sollst du Gelegenheit finden, dir selber ein Urteil darüber zu erlauben.- Kennst du den Vogel der Anmut, so wie ich ihn nenne, es ist der weiße Schwan, und ein Bild in meiner Heimat, für die schönste aller Frauen.“
„Ja, einen Schwan kenne ich, so ein Vogel ist wahrhaft anmutig, doch erzähle weiter von der anmutigsten Frau.“
„Ich werde am Ende meiner Erdentage auf einer großen Wiese stehen, ein Menschenkind, klein und winzig wie ich in einem unendlichen Weltraum nur sein kann, so warte ich hier auf den himmlischen Schwan, der viel größer ist, als ein irdischer Schwan, denn sie steigt aus den Tiefen des Himmels hinab zur Erde.
Sie ist die Macht über Wasser, Land und Luft, und wohnt am Ende des Vorstellbaren, wo nur reine Wesen weilen können. Sie ist die Macht die den Zugang zum Alleinen, der Stelle der Wahrheit, betreten kann, sie ist die Begleiterin für den letzten Weg des Menschen in die Unendlichkeit. Der Vogel der Anmut ist so groß, daß sich die Sonne für drei Tage verdunkeln wird und es wird wie eine Nacht ohne Sterne und Mond so finster, wie man es sich nicht vorstellen kann. Der Vogel der Anmut wird mein Fahrzeug in eine andere Welt sein, die mich hinbringt, wo mein zu Hause ist. Ein Menschenkind, einsam und zugleich geduldig wartend, zu sehen was geschehe in dieser Welt der wundersamen Einsamkeit in der man vor Überraschungen nie sicher ist, seit man sich selbst als rein und ganz ansieht und lebt. Die Erde ist das heile Leben in unvorstellbarer Vielfalt, sie ist dem Menschen untertan, wenn er nicht an ihr arbeitet, wenn er keine Hand an sie legt, sondern nur aus ihrer Vielfalt schöpft und lebt, die immer und überall im Überfluß hervorbringt. Der Grund, der noch von den Hufen der Tiere aufgewühlt ist, aber den schon die ersten würzigen Kräuter und eine Anzahl schöner Blumen zieren, ist an diesen Abend nun nicht mehr naß und matschig, die Entwässerungsgräben werden gezogen sein und in dem kleinen See werden Frösche, Schwäne, Enten und an dessen Ufer sich Gänse neben Kaninchen und Ziegen laben, in ihm werden Fische laichen und sich mehren, das Haus selber wird in seiner vollen Blüte stehen und ein Ort der Begegnung sein. In dieser Nacht wird der Grund fest sein, der mächtige Schwan wird sich anmutig auf der Wiese niederlassen und seine Schwingen greifen noch in die Höhe der Lüfte, wenn die Füße bereits den Boden berühren. Ein erhabenes Tier senkt sich vor ihm nieder, bereit ihn mit sich fortzunehmen, über die Tiefen des Todes führt der einsame Weg und lautlos gleitet die Anmut dahin. Bin ich die Ruhe der vollen Aufmerksamkeit, so öffne ich die Kräfte der Mutter Erde, diese öffnet den Seelenmantel ihrer Möglichkeiten und ich die meinen, der Erkenntnis entsprechend. So daß mir alles, was mir begegnet auch von mir, meinem Körper an erster Stelle, meiner Seele und meiner Bewußtheit entsprechend zu verkraften ist. Das Geheime ist, daß man sich selbst opfert, für sich selbst, damit öffnet man sich der Weltenseele, man schenkt ihr praktisch sein Leben, indem man nur noch das verrichtet, was die Not von einem verlangt, was dem Körper Entspannung und der Seele Frieden mit der Schöpfung schenkt. Es hat keinen Zweck ohnmächtig ausgeliefert, wie er nun einmal ist, diese Kultur zu bekämpfen, er kann sich ihr nur immer weiter entziehen, das heißt, was andere für wichtig halten ist ihm fremd, denn sie verzetteln sich in Nebensächlichkeiten, die wahre Welt des menschlichen Wesens liegt in ihm verborgen und er muß dieser Stimme Aufmerksamkeit zu schenken. Wenn der Schmerz nicht mit dem Gleichmut verbunden wäre, so wäre kein Leben mehr möglich, doch die Erkenntnis, daß alles was ist, auch seinen Grund in sich trägt, hält ein merkwürdiges Gleichgewicht mit der Achtung des Menschen vor der lebenden Natur. Die Schlange aus der Mitte des Gartens, aus dem Herzen der Seele, hat sich gehäutet und ist nun farblos durchscheinend, sie ist die Weisheit, die bitter schmeckt. Eine neue Epoche, die anstehende Reinigung der Welt, der Erde, heißt der Verzicht, die Menschheit verspeist sich sonst seelisch selbst. Alles schreit im stummen Schrei nach dem Ende dieser Zeit, der Zustand scheint unhaltbar. Die Tage der Menschheit sind gezählt, doch das Auge des Schicksals wird sich nie schließen. Traurig bin ich Schefka, einsam und allein, gleichwohl bin ich glücklich und habe alles und noch mehr als ein Mensch nur brauchen kann, kalt ist mir und ich friere. Mein Blut erstarrt und der Schwindel greift nach mir. Mein Bruder Tod ruft mich in das Land der Schatten. Ich sehe, was aus den Seelen der Menschen wird. Eingeschlossen in einen Stein wiederholt sich ihr Erdenleben, als ein selbsttätiges nicht bewußtes Sein, wie ein einmal eigeübtes Programm, das weder zu ändern noch zu stoppen ist, hier bleib nicht geheim. Damit der Mensch es begreife, er ist dann gleich einem Fernseher, welcher all seine widersprüchglichen Ängste in Wahrheit offenbaren muß. Schefka, es ist das Schlimmste was man sich vorstellen kann. Stelle dir eine eingeschlossene Seele vor, die nur noch dahin strebt, endlich Ruhe zu finden, doch die Wege die sie beschreiten kann sind die ihres Erdenlebens, nur daß dort die geheimsten Wünsche und Ängste augenblicklich in Erfüllung gehen, wehe dem der seinen Gedanken nicht einhalt bietet. Die Seele ist sich ihres Seins nicht mehr bewußt und ist Sklave der eigenen Gier und Ängste, welche auf sie einstürzt und sie verschlingen in ein großes Wirrsal, welches in den Stein gefesselt, die Säule des Sieges bildet und als Tempel oder als die Schau der Zeiten bezeichnet wird. Die Seele ist gefangen und das irdische Leben wird sich als seelisch gefesseltes Totes offenbaren, in einer Form die ohne Bewußtsein bleiben muß.
Durch dieses Zusammenschmelzen von Seele und Materie, bekommt meine Großmutter ihr wahres Leben zurück. Es ist ihr Jungbrunnen. Die menschlichen Seelen sind nur ein Teil ihrer Umhüllung, ihres Mantels, der geteilt ist, weil er bewußt ist, dadurch hat sie keine eigene Wahrnehmung und deshalb muß sich jemand auf den Weg begeben, ihr sein Seelenteil bei Lebzeiten zurückzugeben. Sie wird dann ein Sternengewand aus Granit tragen, die Sterne sind das Schicksal der Menschheit in seiner seelischen Leuchtkraft, dieses ist der Weg über die Tiefen des Todes.“
„Bruder warum weinst Du, laß uns hinausgehen und das Schicksal der ewigen Gegenwart, den Mantel deiner Großmutter beschauen. Ich fühle mich dir nahe, so wie ich es selbst nicht einmal meinem Bruder Hassan gegenüber fühle. Deine Worte lassen mir keinen Wunsch übrig, weil ich mir selbst genug bin.“
Wir gingen hinaus in die Wüste und legten uns auf die Felsen der alten Ruine, den Mantel der Großmutter zu schauen.
„Siehst du die Schwärze Bruder,“ hob Schefka an zu sprechen, als wir zum dritten Mal die Felsen gewechselt hatten und uns nieder gelegten, „wie sie unentwegt das Gewand deiner Großmutter aufwirbelt, als habe es Ärmel, wie Wunden sehen weißliche Nebelstellen vor ihrem Bauch aus.“
„Durch die hellen Stellen gebiert die Unberührte. Siehst du die glühende Scheibe, die so hell ist, daß man nichts anderes wahrnehmen kann, wenn man ihr erst einmal die Aufmerksamakeit schenkt. Die glühende Scheibe ist in der Mitte ihres kopflosen Körpers, vor ihrem Zwechfell, ähnlich der Sonne, die aus diesem Zweck die Sicht in den Himmel der ewigen Nacht nimmt, und wir es als den Tag bezeichnen. Hier hinein, in diese Glut gibt man seine Seelenteil, welches das Opfer des Eigenfeuer genannt wird, es ist die Gabe der Großmutter, welche sie den Wesen geliehen hat, für ein einziges und vergängliches Leben. Darüber ist die leuchtende Öffnung, die wie ein Oval ausschaut und die zurücknimmt, was geboren war und nun gestorben ist. Wie an eine Kette mit leuchtenden Perlen besetzt, so steigen die Seelen der Verstorbenen hinauf, die Bewußtheit dem Tod des Himmels zurückzugeben. Darüber wacht einzig immer Ewige, das Auge des Schicksals, welches Auskunft gibt über alles, was in den Zeiten geschehen ist und wird.“
„Schau in meine Augen Bruder, unsere Tränen mögen uns vereinen, wenngleich wir so weit auseinander sind und nicht zusammen bleiben können. Hier an diesem Ort, der nun eine neue Bedeutung für mich in sich bergen wird, hier werde ich deiner gedenken und Frieden finden.
Erzähle mir was wir sehen, mit Worten, die frei sind, von dem was ich bisher wissen kann.“
„Liebe Schefka, alles was ich gesprochen habe, alles was ich mit Namen benennen kann, ist keines Gottes Ursprung, vielmehr sind es Seelen- oder Bewußtseinszustände, in denen jeder Mensch seine Wahrnehmung so weit öffnen kann, daß man erstens dieses mit seinen Sinnen wahrnimmt und zweitens sich ein Wissen oder eine Ahnung aus dem Menschen selber ergibt, diese neuen Wahrnehmungen oder Seelenöffnungen richtig zu deuten. Dies alles ist dem Menschen möglich zu erkennen, wobei ich in meinen Beschreibungen immer nur bildlich sprechen kann, weil es sich jedem Menschen nach seiner Abstammung anders darstellt und doch ähnlich ist. Selten werden zwei Menschen die gleiche Wahrnehmung und daraus auch die gleiche Deutung haben.
Was als Glaube den Menschen bekannt ist, stammt nicht von Göttern, sondern es sind Bewußtseinszustände, die rein menschlicher Seelennatur sind. Die Bewußtseinszustände zeigen dem Menschen verschiedene Bilder, Gerüche, lassen ihn Worte hören, kurz sie verändern die Stellung der eigenen Seele zu den Mitmenschen, sie lassen ihn sogar als reines Seelenwesen losgelöst aus dem Körper treten und so diese oder andere Welten wahrnehmen, dabei nimmt die Zeit und der Raum eine andere Ausdehnung an, der sogenannte gordische Knoten beginnt sich zu lösen, dadurch wird die Wahrnehmung wider richtig gestellt, alle Vorurteile lösen sich auf, die durch den ständigen Umgang mit Menschen und deren Interprtationen aus der jeweiligen Kultur verursacht sind.
Der Mensch wird vom Gesellschaftswesen zu einem Einzelwesen, unabhängig in all seinen Taten und Gedanken schreitet der Mensch für sich näher zu den Urbildern der großen Seele, welche ich als Großmutter bezeichne, diese Bilder erklären sich dem Mensch durch sein eigenes Leben. Dabei werden die Gedanken immer klarer und ruhiger, bis sich schließlich der Gedankenfluß erschöpft, dadurch verliert der Mensch seine Wünsche auf das irdische und gesellschaftliche Leben. Das Ziel, das der Mensch nunmehr verfolg, liegt tief in seinem Selbst, so ist er sich selber Überfluß, gleichmütig stellt er sich allen Anforderungen, sein sie von der körperlichen Welt oder der Welt der Seelen. Menschen treten diesem Erkennendem mit Unverständnis entgegen, gleichwohl sind sie ihm zu Dienste, denn er benutzt sie, weil alles was er macht und bewußt nicht macht, einen Nutzen hat, wobei er selber in den Hintergrund tritt und geschehen läßt, was zu geschehen hat.
Dieses scheint ein Widerspruch zu sein, doch die Taten, die von diesem Mensch ausgehen sind nicht die Befriedigung von Wünschen, sondern sie sind eine Spiegelung seiner Seele in der Seelenmutter und somit auf das Geringste, das Einfältigste gerichtet, dadurch sind sie rein und klar, sie hinterlassen keine Spur. Dieses wunschlose Sein steht fataler Weise in einem Widerspruch mit der Notwendigkeit die menschliche Welt neu zu formen. Der Einzel-Mensch ist nicht in der Lage sich kund zu tun, auf seine Spur zu weisen, weil er wie gesagt keine Spur hinterläßt und auch keinen Wunsch danach verspürt. Den Ablauf seines Lebens betrachtet er als ein Außenstehender, so ist er zwar rein, doch wie in einer Wartestellung, die es ihm nicht erlaubt vor die Menschen zu treten und sein Wissen auszuführen. Das heißt er kann nicht so auf die körperliche Welt einwirken, wie es seinem Wissen nach angebracht ist. Dieses ist ein unerträglicher Zustand, nicht ist es möglich etwas zu bewirken in der richtigen Form, d.h. die Veränderungen, die dem Einzelwesen möglich sind, sind gleichzeitig nicht durchführbar, da die Lösung von den Menschen so weit vorangeschritten ist, daß hier keine Verständigung, keine Brücke mehr gebildet werden kann und doch haben alle Menschen ein Recht darauf, sich über die Folgen der Veränderungen unterrichten zu lassen und an dem großen letzten Entscheid teilzunehmen, der die Zeiten trennen wird.
Aus dieser Stellung muß sich nun der Einzel-Mensch lösen, er muß teilhaben an der menschlichen Gesellschaft, um diese doppelte Brüke zu schlagen, muß sein reines Leben aufgeben und zu einem Gesellschaftswesen werden, was er durch die Erziehung in der Gesellschaft zuvor war. Als Gesellschaftswesen folgt er wie jeder andere seinen Wünschen, die nun wieder in ihm aufsteigen, geleitet von den Seelenbildern, die er in seiner Erinnerung hat, kann er erst jetzt beginnen über die Erkenntnisse zu sprechen und so mit Glück die notwendigen Veränderungen herbeiführen. Dieser Mensch bleibt für immer ein doppeltes Wesen, was sich als Einzelwesen bewußt ist, selbst wenn er sie nur in seiner Erinnerung behält und sich mit seinen Taten und Worten darin spiegelt, oder besser gesagt, seine Taten und Worte spiegeln sein Einzelwesen und er lebt ein Gesellschaftsleben in der jeweiligen Kultur, mit der Bewußtheit etwas zu unternehmen, welches sein Leben mit seinem eigenen Tod verbindet. Er fordert den Tod heraus um mit dieser Macht zu wirken. Der Tod gestattet die Distanz und Ruhe, die das Doppelwesen haben muß, denn dies ist die einzige Sicherheit, die jeder Mensch hat. Als Gesellschaftswesen ist die Anhäufung von falschen Seelenbildern nicht zu umgehen, d.h. der Moment des Ablebens ist nicht unbedingt als reines Seelenwesen möglich, diese birgt das Risiko in sich, welchem sich der Doppelmensch stellen muß, er muß seine Seele zur Stunde seines Todes bereits zum zweiten mal im Feuer der Bewußtheit gewaschen haben, um die Veränderungen herbeizuführen. Die Macht des Todes steht jetzt für den Einzelkämpfer in der Welt der Menschen und wird den reinen Willen ausführen, der den Einzelkämpfer und den Tod weiterhin verbindt, nun als doppelte Brücke über die Seelenmutter, die furchtbare Alte, die mit einem Namen nicht zu nennen ist. Der eigene Tod ist wie der Tod von jedem Anderen, vor dem Tod sind alle gleich, daher nimmt der Doppelmensch diesen allumfassenden Tod auf und hat die Macht aller Toten zugleich. Wann es einem Menschen gelingen wird diese unvorstellbare Macht zu entfesseln, kann erst beantwortet werden, wenn es bereits keine Frage mehr ist, vielleicht sind wir nur Wegbereiter, doch wer will es wissen, vielleicht sind wir schon bald am Ende dieser Zeiten angelangt.
Schefka, dieses wünsche ich mir von ganzem Herzen, für mich und die ganze Menschheit, denn auf unser Leben ist auf immer mit dem Schmerz verbunden, den die Seele uns enthüllt mit jedem Zug des Atem den wir durch unsere Lungen nehmen und geben.“
Dann erzählte ich ihr von meiner Schwester TAMA-SHI-WA, als die Sonne bereits über den Horizont ihr Lichtmeer verbreitete, jedoch noch nicht aufgegangen war, sprach sie mich an.
„Lieber Freund, du hast mir von deiner jüngeren Schwester TAMA-SHI-WA erzählt, daß ihr euch trefft und sie dich oder du sie besuchst, in einer Welt, die du als Zwischenwelt bezeichnest. Mach es mir möglich, daß auch wir uns sehen, wann immer du mich sehen magst. Laß mich auch deine Schwester sein, dies ist mein einziger Wunsch, den du mir bitte nicht abschlagen möchtest. Führe mich in eine Zwischenwelt, alles möchte ich dafür ertragen wenn es nur möglich ist, so will ich durch die Hölle gehen.“
„Schefka, du hast bereits Einblick in eine Zwischenwelt genommen, du hast den Mantel der Großmutter wahrgenommen, die aufwirbelnde Schwärze, den Fluß der Seelen auch Goldfluß genannt und die Öffnung der Gebärenden hast du gesehen, weil es dein Wunsch war und du dich frei von falschen Vorstellungen gemacht hast, die diese Sicht verhindern, so ist dir dein Wunsch bereits erfüllt, du hast ihn dir selber erfüllt, nun sind wir Geschwister, beide sind wir Kinder der großen mütterlichen Seele, die selber ihr Leben für uns gibt und nur darauf wartet ihren ungeteilten Mantel endlich wieder zu tragen.“
„So werde ich dich treffen können, wie du und TAMA-SHI-WA, das scheint mir fast unmöglich, wie soll dies geschehen?“
„Du hast sicher die Veränderung der Umgebung wahrgenommen, alles sieht dann jungfräulich neu und einzigartig aus, jedes Lebewesen und jeder Gegenstand ist von einem Strahlenkranz umgeben, der in den Farben des Regenbogens leuchtend erstrahlt, nichts hat seinen alten Wert, noch ist es jenes, was man vorher wahrgenommen hat, die Dunkelheit wechselt hierdurch in die Dämmerung über der uns am Rande des Gesichtskreises ein bernsteinfarbenes Licht zuströmt, uns selber umstrahlt, gleich als ständen wir unter einem riesigen Baldachin aus Gold. Alles wird klarer, reiner und ruhiger. Der Strahlenkranz ist die Schöpfungskraft des Geistes, die unentwegt alles neu erschafft, es gibt nie etwas altes, egal wie alt es auch sei. Diese Kraft ist ein nicht zu erklärender Fluß, mächtiger als die Zeit, die auch von ihm stammt.“
„Du hast recht, aber zuerst wurde alles eine undurchdringliche Schwärze, und ich dachte meine Augen seien übermüdet und ich könne nicht mehr mit voller Sehschärfe erkennen, dann wurde es plötzlich heller, wie ein Nebel kam es mir vor, der uns einzuschließen begann, der sich aber dann zu dieser Dämmerung veränderte, in der mir alles so merkwürdig klar erschien, die Strahlen und den goldenen Himmel habe ich nicht bemerkt. Du sagst, es sei eine Zwischenwelt, die wir wahrgenommen haben, doch bis auf den Mantel der Großmutter, mit den Öffnungen der aus- und eintretenden Seelen, das Auge des Schicksals darüber und die kreisförmig aufwallende Schwärze, hatte sich doch meines Wissens nichts verändert, jedenfalls haben wir uns die ganze Zeit über hier auf den Felsen befunden, die Landschaft habe ich allerdings nicht weiter beachtet. Aus dem, was du mir von TAMA-SHI-WA berichtet hast, so seid ihr in eine vollständig andere Welt eingetreten.“
„Diese Welt ist weder vollständig noch anders, eine neue Welt wird es nach der Vollendung dieser vorherschenden Zeiten erst geben, dann ist die Welt etwas anderes, als das, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen und weil unsere Sprache nur ein Bestandteil der jetzigen Welt ist, so ist sie nicht hinreichend in der Lage die vollendete Welt zu beschreiben. Die Zwischenwelt, wo ich mich mit TAMA-SHI-WA treffe ist ein Teil unseres menschlichen Bewustseins, so ist es und doch ist es auch ein Ort, der jedoch nicht von anderen zu erreichen ist, gleichwohl er tatsächlich ist.“
Schefka lächelte mich an. „Werden wir uns wieder an dieser Sicht erfreuen und uns hier treffen?“
„Nein Schefka, liebe Schwester, wir werden uns an einem anderen Ort treffen den wir nun betreten wollen, dieser Ort ist deiner Natur viel näher, ich führe dich in ein Land, welches die weisen Frauen deiner Vorfahren vor sehr langer Zeit, vor mehr als 7.000 Jahren als die Hochwüste bezeichnet haben. Wir befinden uns auf heiligem Boden, schau dich um, vor uns liegt ein schwerer dreifacher Nebelschleier, milchiggelb, wie die Farbe des Sandes, ihn müssen wir durchschreiten.“
„Mir bangt vor dieser Wand, sie scheint nicht von dieser Welt und ich fühle das mein Leben verschlungen wird, aufgesaugt von einer Kraft die mich lähmt, an die Erde fesselt und in den Boden sinken läßt.“
„Fürwahr Schefka, so ist es, doch erinnere dich wie wir durch die dreifache Nebelwand gingen, wir sind entzweit, du bist geteilt, sehe auf uns nieder, dein anderer Teil schwebt über der Seele des Körpers, die hier zu Stein wird. Dieser Teil bleibt hier solange zurück bis wir aus dieser Wüste mit dem zweiten Teil, der schwebenden Seele zurück sind, habe keine Furcht und vertraue deiner schwebenden Seele, die zu deinen Träumen gehört, wo alle Schwerkraft nur Einbildung ist. Ich erinnere dich an den Flug mit dem Falken, an dein fliegendes Haar, sehe nach oben und schaue herab.“
„Lieber Bruder, wie ist es nur möglich, ich selbst sehe mich, wo bin ich? Hier oben? Hier unten?“
„Du bist hinter dem Mantel der Großmutter, jenseits der Sterne, in mitten der Erde. Schau, vor uns liegt eine Anhöhe, einer Pyramide gleich aus Stufen erbaut, wir nähern uns dem hochheiligen Ort, dem höchsten und innersten Punkt der Welt. Mit Quadern ist der Bau erschaffen, beschreibe mir was du siehst.“
„Ist es denn möglich, lieber Bruder, ich sehe in jedem der Quader die Seele eines Menschen, eingeschlossen und erstarrt, sind es die Toten, so sage es mir?“
„Dieses Bauwerk erschafft sich von selbst, die Seelen der Toten, sowie der Lebendigen warten hier auf ihre Bewußtwerdung. Der lange Strom, den wir als Sterne sahen, wird hier zur Ruhe gelegt, ein Berg aus nur menschlichem Bewußtheit entsteht, ein Gedächnis aus gelebten Seelenbildern, die Schau der Zeit, inzigartig. Von niemandem vor uns und nach uns je im Innern gesehen.“
„Wie in gläsernen Schreinen, mein Bruder, es ist nicht zu beschreiben und fern jeder Vorstellung, unendlich viel Seelen, unendlich viel Schreine in Mitten der Wüste und alles erstarrt, niergens ist Leben, als wir ganz allein.“
„Schefka, auch wir sind nicht hier, nur unser bewußtes Sein, die schwebende Seele allein vermag diesen Ort zu erreichen und ihn wieder zu verlassen.
Laß dich von dem schwingenden Sog leiten, den deine schwebende Seele verspürt, so wirst du ein Geheinis finden, was bisher nur mir bekannt.“
„Nicht habe ich Gefühle mehr, sie blieben zurück an der nebligen Wand, an dem Kleider der Mutter und doch ist etwas mich Leitendes, mich Rufendes, mich Führendes. Gleich einem Sog der Luft, dem ich zu folgen vermag, der mir wie eine Klangstufenleiter gleich der Pyramide erbaut, der will ich folgen. Nun ist es geschehen was nicht möglich sein kann, sehe ich selbst mich liegen im Quader, ich in Mitten unter den Andern, am Rande dieser Flanke und herausschaue ich allein mit der Hälfte meines Gesichtes. Ein Teil des Quaders ist offen!“
„So sieht das Wesen sein Selbst, hier liegt das wahre Bewußtsein aller menschlichen Wesen, welches erweckt zur ewigen Freude im Tausch für die Sinne, von der Mutter gegeben. Wie die Nabelschnur führt eine Wissensader ein jedes Wesen hier her wenn es stierbt um in diesem Bauwerk welches die Zeit ist zu ruhen auf Ewigkeit. Nur wer seine Sinne und Wünsche zu Lebzeiten der Mutter schenkt, der kann sich befreien aus dem gläsernem Steine, dem gläsernem Turm.“
Mit Donnergetöse, bebender Erde und heulendem Sturm brachen wir durch den Vorhang zurück und fanden uns schlafend auf dem Plateau gerade erwachend.
„Schefka, Du und Hassan seit die Stammeltern der Wüstenvölker, oft werden wir uns in der Hochwüste treffen und mehr als heute wirst du und Hassan erfahren, vor allem die Waschung eures Volkes wird eure schwere Aufgabe sein, doch nur so erfüllt sich euer Wunsch. Du bist die Löwin und Hassan der Löwe, die einzige Hoffnug für euer Volk den Ursprung in eurer Mutter zu finden.“
„Mein Bruder, woher kennst du diese Welten, wer hat dich geleitet?“
„Liebe Schefka, Schwester, wie soll ich so etwas beschreiben, es ist mir in sehr kurzer Zeit zugeflogen, in dem ich mich selbst beobachtete, bei Versuchen, die immer wie auf des Messers Schneide über Leben und Tod all meine Sinne und Empfindungen aufs äußerste in Anspruch genommen. Lange und regelmäßig hab ich gefastet, meinem Atem gehorcht, meine körperlichen Bewegungen verfolgt, meine Gedanken zur losgelösten Ruhe gebracht. Ja, ich fühle jede Zelle meines Körpers und vertiefe mich in jeden Schmerz. Schefka, unsere Wahrnehmung ist in Wirklichkeit eine Art des Scherzes der Sinnesorgane. Die Worte sind wie Schwerthiebe wenn sie falsch gewählt, selbst die Gedanken sind dann wie stechende Messer. So habe ich allein für mich einen Weg beschritten, der nur noch wenig mit Worten und Gedanken gemein. In diese Leere strömt wie von selbst Wissen und Erkenntnis hinein, die wie Schmerzen sind, die den Menschen einsam machen und fern von jeder gesellschaftlichen Auslegung mit Begriffen sind. Innere Bilder, Schauungen treten vermehrt hervor und geben Aufschluß über Möglichkeiten als Mensch, die mir schier unendlich vorkommen in jeglicher Hinsicht. Das Unvorstellbare, nicht Denkbare wird erst als Ahnung dem Menschen zu Teil und vertieft er sich darin, weicht nicht von seinem Wege, der auf des Messers Schneide verläuft, zu dessen Seiten abgründige Tiefe sich öffnet, so geht es weiter und weiter ohne Unterlaß. Die Dinge, die Tiere, die Pflanzen, die ganze Natur tritt in Berührung, sie spricht zu dem Menschen, alle auf ihre Art und Weise, ausgenommen die Menschen, deren Worte meist falsch gewählt oder gar lebensfeindlich, so spricht doch immer die Liebe zu mir, zu meinem Wege. Eine Liebe die erschüttert, erschreckend ist, die mich zittern und beben läßt, die mir höchstes und unerreichtes Glück schenkt und sich bis zu den Enden des Himmels erhebt, alle Schluchten ausfüllt mit Sehnsucht. Die Liebe ist die Einheit in der Vielfältigkeit, sie ist die Ursache allen Seins, sie ist der Grundstoff allen Seins, aber sie ist, so sie falsch verstanden wird, und somit falsch gelebt wird, die Ursache allen Bösens. Schefka, ich bin die Kraft, die stets das Gute will und das Böse schafft. Ich werde zum Zankapfel der menschlichen Welt, weil die Gier der Menschen unersättlich ist.“
„Mein Bruder, nicht wüßte ich zu zanken mit dir, aber Recht hast Du, das Verderben der Menschheit, das ist die Gier. Erzähl mir von Menschen die Freude dir sind und etwas tun, wozu sind sie bestimmt?“
„Von TAMA-SHI-WA weißt Du es schon, sie wäscht die Seelen auf Unterwelts Trohn ihres Volkes dem Reiche der WA, MATO-POKA, ein alter MANDAN Indianer aus Amerika und seine Mutter genannt WING-KAN, sie leben im Norden, südlich davon lebt WINCLIL MEN vom MAYA Geschlecht, SCHEN-MIAO lebt auf dem Dache der Welt, auf dem Berg der Berge, KAILASH genannt, so heißt auch sein Volk, ein Schamane und Held. Mir aber ist voraus gegangen ein einsamer magischer Mann, er hat alles für mein Volk getan, er hält das Zeichen der stahlenden sich verwirbelnden vier Sonnengesichter und reinigt mit Licht das alte Geschlecht. Er wohnt mit seiner schwebenden Seele in dem berghohen Turme der Mitternacht aus bernsteinigem Licht über ewigem Eis, sein Name ist SCHWARZGOLD, sein Herz war stets rein, doch seit Jahrzehnten sitzt er gefangen als freiwilliger Geisel mitten unter seinem Volk in Feindes Hand.“
„Werde ich die Freunde denn treffen, erzähl mir davon und wenn Du es kannst so bring mich zu ihnen.“
„Anders als die Hochwüste, kann dich niemand hinfüheren, als du ganz allein, es ist der Weg zum Auge des Schicksals, worin du erblickst die Vielfalt der Welten und die mit Wasser, Sand, Feuer und Licht waschenden Mächte.“
„Was habe ich heute gesehen? Was hab ich erkannt? Ist es ewig oder nur ein Moment?“
„Für einen Moment hast du die Ewigkeit gesehen, wie Hassan, dein Bruder schon vor dir. Ob sich eure Schreine, eure Steine für immer auch öffnen, ihr eure Sinne und Gefühle der Großmutter bei Lebzeiten gebt, es hängt allein von eurer Lebensführung ab, wandelt dazu gewonnenes Wissen in innere Stärke. Laßt euch vom Pfad, der steinig und einsam ist, der steil in die höchten Höhen und tiefsten Tiefen führt nicht abbringen. Die Stärke könnt allein nur ihr euch geben, alles was ich auch vermag, ist eine Stütze zu sein wenn ich nicht versag.“
„Mein Bruder, du bist der Mann dieser jenseitigen Frau, du bist eine Hoffnug auf Erden, wenn du es nicht bist, wer soll es denn sein, wer führt diese Menschen ins ewige Sein?“
„Am Ende der Tage, die Menschen auf Erden gehen, wird einer nur stehen und niemand kann sagen, wer es denn sei.“
„So nehm den Wunsch von mir mit daheim, ich wünsche es dir, du sollst es sein.“
„Nicht eines Menschen Wunsch kann es sein, es ist die Zeitschau ganz allein. Ein Tempel aus Welten gebaut, was Schefka heute geschaut, ist nicht Menschenwerk und nicht mit Wünschen beschert, doch lobt mich dein Sinnen und ich fühl mich geehrt, der nichts mehr begehrt als Freiheit der Erde und Leben der Mutter.“
„Bruder und Freund, laß mich dir schwören, eine Hilfe will sein, dir Schefka, wie du es mir warst, du kennst viele Welten, die ich nie gewahr, doch bau ich auf dich, daß kein Hindernis je hemme mich. Treue ich schwöre und Reinheit dir auch, auf das was ich sah, ich baue darauf.“
„Die lebenspendenden Nabelschnur, aus gleißendem Licht, muß zum Klingen du bringen, so erstrahlt eine Pyramide aus steinigem Glase, gleich einem Sonnestrahlenkranze wie vor Erschaffung der Welt, den die Mutter der Seelen wird geben am Ende der Zeit. Ich werde dich und deinen Bruder mit meinem reinigendem Atem umhüllen und dieser wird euch die Richtung weisen, denn mein Bereich ist des Atems, wie der gesprochenen Worte, die ich allen Stämmen einhauch.“
Das Sterbende Buch
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